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BVÖGD im Kanzleramt

Begrüßungsrede der Bundesvorsitzenden des BVÖGD, Dr. Ute Teichert,
zur Verleihung der Johann-Peter-Frank-Medaille, am 18. August 2021 in Berlin

Bundesregierung / Bergmann
© Bundesregierung / Bergmann

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Dr. Merkel,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur feierlichen Verleihung der Johann-Peter-Frank-Medaille des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes heiße ich Sie ganz herzlich willkommen. Ich freue mich, dass wir heute bei Ihnen im Bundeskanzleramt zu Gast sein dürfen und bedanke mich dafür sehr herzlich.

Die Medaillenverleihung erfolgt üblicherweise während der Eröffnungsveranstaltung unseres jährlich stattfindenden Wissenschaftlichen Kongresses mit mehreren hundert Teilnehmenden. Ein so kleiner Rahmen wie heute ist für uns ungewöhnlich ­- und daher etwas ganz Besonderes. Dies aber auch schon mal vorweg:

Wir würden uns sehr freuen, wenn wir Sie, Frau Bundeskanzlerin, bei unserem nächsten Kongress, am 12. Mai 2022, in Magdeburg begrüßen könnten.

Johann Peter Frank und seine Bedeutung für die öffentliche Gesundheit haben wir im eben gezeigten Film schon kennengelernt, deswegen möchte ich nur kurz auf seine Person eingehen. Johann Peter Frank, der von 1745 bis 1821 gelebt hat, war ein Zeitgenosse von Johann Wolfgang von Goethe. Als Arzt, Wissenschaftler, Hygieniker und Gesundheitsadministrator wirkte er ganz im Geist der Aufklärung. Dies mit großem Vertrauen in die Vernunft und als Menschen-freundlicher Arzt, wie er sich selbst charakterisierte.

Das Werk und auch die Visionen von Johann Peter Frank sind bis heute bahnbrechend. Die großen Koryphäen in der Hygienewissenschaft – wie etwa Max von Pettenkofer und Robert Koch – haben sich auf ihn bezogen. So beginnt Robert Koch seine Antrittsvorlesung als neuer Gründungsdirektor des Institutes für Hygiene an der Berliner Universität 1885 mit folgenden Worten:

„Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts finden sich in den Kulturstaaten wohl einzelne der öffentliche Gesundheitspflege dienliche Maßnahmen und Vorschriften, doch entbehren dieselben sowohl des inneren Zusammenhanges als zum Teil auch einer rationalen Begründung. Johann Peter Frank machte dann gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zuerst den gelungenen Versuch, ein wissenschaftliches System der Hygiene aufzustellen.“

Es gibt in der Geschichte immer wieder große Persönlichkeiten, die das Tor der Erkenntnis zum Fortschritt und zum Wohle der Menschheit weit öffnen. Zu diesen Persönlichkeiten zählt zweifellos auch Johann Peter Frank! Prägend für ihn war, dass er in seinem gesamten Wirken immer wieder versucht hat, als Arzt und Hygieniker den regierenden Fürsten im besten Sinne Rat zu geben, sich aber gleichzeitig der Verantwortung dieser Rolle bewusst war. Heute ginge sein Rat nicht mehr an die Fürsten, sondern an die demokratisch legitimierten Repräsentanten, die die gesundheitspolitische Verantwortung in unserem Land tragen.

Im Jahr 1995, 250 Jahre nach der Geburt von Johann Peter Frank, wurde im pfälzischen Rodalben die Johann Peter Frank-Gesellschaft gegründet, die sich mit seinem Leben und Werk beschäftigt. Ihre Aufgabe ist auch die Pflege von Kontakten zu den Trägern der Johann-Peter-Frank-Medaille und zum Öffentlichen Gesundheits-dienst. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Alois Dauenhauer, den Sie im Film bereits kennengelernt haben, lässt Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, seine herzlichen Glückwünsche ausrichten.

Die Verleihung unserer Medaille erfolgt an Personen, die sich in besonderem Maße für den Öffentlichen Gesundheitsdienst eingesetzt haben. Sie, liebe Frau Dr. Merkel, haben im vergangenen Jahr sehr schnell erkannt, welche wichtige Rolle der Öffentliche Gesundheitsdienst bei der Bekämpfung der Pandemie einnimmt. Beispielsweise welche zentrale Bedeutung die Kontaktpersonennachverfolgung durch die Gesundheitsämter für die Begrenzung des Infektionsgeschehens hat.

Ich erinnere mich noch sehr genau: Ihre Schlussfolgerung lautete, dass sehr dringend eine finanzielle und nachhaltige Unterstützung der Gesundheitsämter benötigt wird, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten.

Dieser Erkenntnis ließen Sie sehr schnell Taten folgen. Im Rahmen eines Konjunkturpakets der Bundesregierung wurde der „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ beschlossen, mit dem der Bund bis 2026 finanzielle Mittel in Höhe von vier Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Mit diesen Mitteln sollen in den kommenden fünf Jahren bundesweit 5.000 neue Stellen im ÖGD eingerichtet werden, und auch im Bereich der Digitalisierung sollen entscheidende Fortschritte erzielt werden.

Die Umsetzung des Paktes wird im Auftrag der GMK und des Bundes von einer Expertenkommission begleitet, die vom BVÖGD und von anderen im Bereich der öffentlichen Gesundheit tätigen Akteuren tatkräftig unterstützt wird.

Dass die bereitgestellten Mittel zügig dort ankommen, wo sie benötigt werden, ist uns ein besonderes Anliegen. Alle heute anwesenden ehrenamtlich engagierten Vorstandsmitglieder unseres Verbandes wirken auch im besagten Expertenbeirat für die Umsetzung des Pakts mit und werden sich dafür einsetzen, dass dieser in dem von Ihnen intendierten Sinne vor Ort und in der Fläche ausgerollt wird.

Die Unterstützung mit finanziellen Hilfen ist sicher ein wichtiger Schritt, aber Sie sind ja noch viel weiter gegangen. Im September letzten Jahres haben Sie sich mehrere Stunden Zeit genommen, um in einer Webkonferenz mit verschiedenen Gesundheitsämtern ins Gespräch zu kommen. Ich durfte Sie dabei begleiten und denke heute noch gerne daran zurück. Auch in diesem Dialog kam die Wertschätzung zum Ausdruck, die Sie der engagierten Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsämtern entgegenbringen.

Mit großer Freude habe ich in den vergangenen Monaten Ihre Statements im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenzen verfolgt. Dort haben Sie stets die Herausforderungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst hervorgehoben, und selbst in Ihrer letzten Neujahrsansprache haben Sie die Arbeit der Gesundheitsämter explizit gewürdigt. Sie haben Videobotschaften veröffentlicht, in denen Sie den Gesundheitsämtern für ihre Arbeit dankten. Und vor wenigen Wochen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Digitalisierung im Gesundheitsamt der Stadt Köln als Musterbeispiel für die Digitalisierung im Öffentlichen Gesundheitsdienst vorgestellt.

Nicht zuletzt durch Ihren Einfluss hat sich die öffentliche Wahrnehmung des ÖGD während der Pandemie verändert. Vorher stand er im Schatten der ambulanten und stationären Versorgung. Im vergangenen Jahr ist er unter dem Pandemiegeschehen aus diesem Schattendasein herausgetreten und in den Fokus der politischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt.

Dies sollte jedoch mehr als ein kurzes Schlaglicht sein. Denn bevölkerungs-medizinischen Herausforderungen muss dauerhaft begegnet werden. Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung muss auch im Sinne der politischen Daseinsvorsorge nachhaltig gesichert werden. Wir haben sowohl in der Pandemie als auch jetzt mit der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen festgestellt, wie schnell dieses System an seine Grenzen stößt.

Darum sollten wir aus den Erfahrungen lernen und zukünftig auch Strukturen der medizinischen Versorgung und des Krisenmanagements in den Gesundheitsämtern aufbauen. Damit wir bei der nächsten Katastrophe nicht wieder verwundert feststellen müssen, dass die personellen Ressourcen zur Bewältigung der Herausforderungen unzureichend sind.

Wir sollten aber auch nicht den Fehler machen, den Öffentlichen Gesundheitsdienst künftig auf seine Bedeutung zur Bekämpfungen von Pandemien zu reduzieren. Über den Katastrophenschutz hinaus haben ÖGD und Gesundheitsämter ein sehr breit gefächertes Aufgabenspektrum. Dazu gehören unter anderem Impfungen und Impfberatung, schul-, kinder-, jugend- und zahnärztlicher Dienst, Schwangeren- und Mütterberatung, Kontrollfunktionen im Bereich der Krankenhaus-, Umwelt- und Seuchenhygiene, Beratung und Hilfsangebote für psychisch Kranke, die regelmäßige Erstellung von amtsärztlichen Gutachten und Zeugnissen sowie die Mitwirkung an der Gesundheitsberichterstattung.

Im Gegensatz zu niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie zu stationären Einrichtungen steht im Öffentlichen Gesundheitsdienst nicht vorrangig die Einzelperson im Zentrum des Handelns, sondern der Schutz der Gesamtbevölkerung. Wir haben als einzige Institution im Gesundheitswesen den direkten Zugang zu Institutionen der Kinderbetreuung und Schulen, und dies gilt auch für die Ansprache sozial benachteiligter Gruppen vor Ort.

Das alles sollten wir nutzen, nicht nur in der Pandemie, sondern in die Zukunft gedacht, ganz im Sinne und in der Tradition des visionären Begründers einer modernen Sozialmedizin, Johann Peter Frank.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Sie haben sich persönlich in besonderer Weise um das Öffentliche Gesundheitswesen in Deutschland verdient gemacht. Deshalb freue ich mich sehr, dass ich Ihnen im Namen des Vorstands und der Mitglieder des BVÖGD in diesem Jahr die Johann-Peter-Frank-Medaille verleihen kann.