Pressemitteilungen

BVÖGD kritisiert neue Meldepflichten für psychiatrische Patientinnen und Patienten in Hessen

Pressemitteilung als PDF

Berlin/Wiesbaden – Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) übt deutliche Kritik an der vom Hessischen Landtag beschlossenen Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG). Die Neuregelung verpflichtet psychiatrische Kliniken künftig, bei der Entlassung von Patientinnen und Patienten nach Unterbringung wegen Fremdgefährdung personenbezogene Informationen an die Polizei und örtlich zuständige Ordnungsbehörde zu übermitteln, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung aus medizinischer Sicht Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von der untergebrachten Person in absehbarer Zeit ohne ärztliche Weiterbehandlung eine erhebliche Gefahr ausgehen könnte.

Der neu formulierte § 28 Absatz 4 des Gesetzes lässt sowohl den psychiatrischen Kliniken als auch den Sicherheitsbehörden einen großen Interpretationsspielraum: bei Patientinnen und Patienten, bei denen nicht näher bestimmte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie auch nur möglicherweise in einem nicht näher definierten Zeitraum in einer nicht näher bestimmten Form die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Anderer gefährden könnten, müssen die hessischen psychiatrischen Kliniken die Sicherheitsbehörden über die Entlassung informieren und Informationen für eine mögliche Gefährdungseinschätzung liefern. Diese Daten können bis zu 10 Jahren aufbewahrt werden und sind vorher zu löschen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass keine Fremdgefährdung vorliegt – diese sind ebenfalls nicht definiert.

Aus Sicht des BVÖGD birgt diese Vorschrift das Risiko, Menschen in psychischen Krisen von einer notwendigen Behandlung abzuhalten. Zugleich drohe eine Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, wenn Betroffene unabhängig von einer konkreten Gefahrenlage in polizeilichen Meldestrukturen auftauchten. Diese Vorschrift geht weit über eine gesetzliche Verpflichtung zur Abwehr einer konkreten und gegenwärtigen Gefährdung hinaus und ist mit der ärztlichen Schweigepflicht nicht vereinbar.

„Vertrauen ist die Voraussetzung jeder medizinischen und psychosozialen Hilfe“, sagt Dr. med. Peter Schäfer, Vorsitzender des BVÖGD. „Wenn Patientinnen und Patienten befürchten müssen, dass sensible Informationen routinemäßig an Sicherheitsbehörden weitergegeben werden, erschwert das den Zugang zu Unterstützung und schwächt die präventive Arbeit erheblich.“

Der BVÖGD sieht erhebliche Folgen für die Arbeit der kommunalen Sozialpsychiatrischen Dienste. Diese seien darauf angewiesen, dass Betroffene niedrigschwellige Angebote freiwillig und ohne Angst vor möglichen Konsequenzen nutzten. Pauschale Meldewege an Behörden stellten diesen Ansatz infrage und behinderten die frühe Erkennung und Abwendung von Krisensituationen.

„Die neue Regelung reduziert daher nicht das Risiko, sondern kann es gesamtgesellschaftlich sogar steigern“, warnt Schäfer.
Eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheit sei nur durch kontinuierliche Behandlung, gut erreichbare Hilfsangebote und starke kommunale Strukturen zu erreichen, so der BVÖGD-Vorsitzende.