Pressemitteilungen

Gemeinsame Stellungnahme des BVÖGD e.V. und der DGÖG e.V.

Berlin, den 25.04.2024

Stellungnahme als PDF

Gemeinsame Stellungnahme des BVÖGD e.V. und der DGÖG e.V.
zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)

 Der erste Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes, welcher in der Vergangenheit bereits in diversen Runden und in der Öffentlichkeit zirkulierte und damit bekannt wurde, wurde vom BVÖGD und der DGÖG im Grundsatz sehr begrüßt.

Im aktuellen Referentenentwurf spielt der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) wider Erwarten keine zentrale Rolle mehr. Der vorliegende Entwurf fokussiert sich im Wesentlichen auf einen einzelnen, nämlich den niedergelassenen Sektor, und lässt andere Akteure wie auch die Kommunen weitgehend außer Acht. Das widerspricht einerseits dem neuen zukunftsweisenden und richtigen Ansatz der sektorenübergreifenden Versorgung sowie andererseits auch den Empfehlungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung im Gesundheitswesen, der in seinem letzten Gutachten 2023 eine Stärkung der v.a. auch präventiven kommunalen Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten als absolut wesentlich für die zukünftige Resilienz unseres Gesundheitswesens priorisiert hat.

Die Kommunen mit ihrem ÖGD haben weiterhin kaum eine Möglichkeit die gesundheitliche Versorgung vor Ort mitzugestalten und zu steuern und das, obwohl sie vor Ort direkt mit den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert und in Verantwortung genommen werden. Weder ist eine wesentliche Beteiligung im SGB V vorgesehen, was die Partizipation an vorhandenen finanziellen (Förder-)Mitteln erschwert, noch ist im Entwurf eine Beteiligung am Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorgesehen. Es werden zwar die Interessen der Pflege sowie der Patientenvertretung berücksichtigt, sowie eine Mitsprachemöglichkeit der Hebammen und wissenschaftlicher Fachgesellschaften, der ÖGD hingegen erhält kein entsprechendes Mitspracherecht. Es ist aber der ÖGD, der die gesundheitliche Lage und Bedarfe vor Ort kennt sowie subsidiär in der Versorgung tätig ist (häufig ohne ausreichende personelle und finanzielle Kompensation), und zwar immer dann, wenn die gesundheitliche Versorgung für die Menschen vor Ort nicht mehr durch die anderen Akteure gewährleistet ist. Dadurch kommen die Probleme der ambulanten Versorgung stets auch im ÖGD an. Insofern wäre ein Mitspracherecht des ÖGD auch im G-BA absolut angezeigt.

Allein die Möglichkeit kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen, ist im neuen Entwurf als Instrument übriggeblieben. Allerdings werden diese nicht als Lösung ausreichen, da das finanzielle Risiko zum Großteil auf die Kommunen abgewälzt wird. Zudem ist fraglich, ob genügend geeignete Fachkräfte zum Betrieb eines solchen MVZ gefunden werden können. Es darf nicht zu einer investoren- und renditegetriebenen Versorgung kommen, da so die Gefahr von Versorgungssituationen besteht, die nicht am Wohle der Patientinnen und Patienten ausgerichtet sind. Gerade in einer heterogenen Versorgungslandschaft sind kommunale Möglichkeiten vonnöten, flexibel auf die lokalen Herausforderungen reagieren zu können (u.a. durch die die Beteiligung an Gesundheitsregionen). In der jetzigen Ausgestaltung wird die Erreichung des Zieles der gesundheitlichen Chancengleichheit in weite Ferne gerückt.

Ähnlich wie das wichtige Thema der gesundheitlichen Chancengleichheit wird vermutlich auch das nicht minderwichtige Ziel der Erhöhung der Gesundheitskompetenz der Menschen mit den Instrumenten des vorliegenden Entwurfes nicht in einem wünschenswerten Maße erreicht. Der Gesetzesentwurf zielt lediglich auf die Beratung der Angebote der Kranken- und Pflegeversicherung ab. Zum einen ist dies eine unnötig verengende Ansicht der Bedarfe der Menschen. Zum anderen ist es fraglich, ob durch diese reine Beratungsleistung die Gesundheitskompetenz der Menschen gesteigert werden kann. Zur Gesundheitskompetenz gehört nicht nur das Vorhalten eines entsprechenden Angebotes und von Informationen, sondern auch das Finden, Verstehen und Einordnen sowie das selbstbestimmte Handeln danach. Diese weiteren Dimensionen der Gesundheitskompetenz finden im Entwurf keinerlei Berücksichtigung.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln, zukünftig als eine eigene bedarfsplanungsrechtliche Gruppe zusammengefasst werden und so ein Monitoring erfolgen kann. Allerdings wird hier eine Erwartung bei den Bürgerinnen und Bürgern geweckt, die dann aber wahrscheinlich nicht erfüllt werden kann (Fachkräftemangel).

Auch hier wie insgesamt fehlt den Kommunen weiterhin eine Steuerungsmöglichkeit, um eine etwaige Unter-/Fehlversorgung gezielt zu beseitigen, und dies, obwohl sie

  • a. über die Sozial- und Gesundheitsberichterstattung über die wesentlichen Informationen zur Bedarfslage verfügen,
  • schon Netzwerke und in annähernd der Hälfte der Kommunen planende Steuerungsgremien wie z.B. kommunale Gesundheitskonferenzen vorhalten, die bestens dafür geeignet wären und
  • als Träger der lokalen Daseinsfürsorge gemeinwohlorientierte Versorgungsentscheidungen vorbereiten und in die Umsetzung bringen können.

Das ursprüngliche Ziel, regionale Defizite der Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Versorgung zu beheben und Schnittstellen zu optimieren, u.a. durch niedrigschwellige Beratungsangebote, wird nicht mehr ausreichend verfolgt. Die innovativen Möglichkeiten, die sich durch Gesundheitsregionen, Primärversorgungszentren und Gesundheitskioske ergeben hätten, werden nicht realisiert. Der kommunal steuernde und sozialkompensatorisch tätige Öffentliche Gesundheitsdienst bedauert dies sehr und empfiehlt dringend eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs.

Zusammenfassend ist der vorliegende Referentenentwurf somit deutlich zu kurz gegriffen und muss o.g. Aspekte berücksichtigend angepasst werden.

Dr. Kristina Böhm                                                                                                   Dr. Susanne Pruskil
BVÖGD                                                                                                                      DGÖG