Fachliche Stellungnahmen

Plenarsaal Bundestag - Foto: A. Kaunzner

Gesetzentwurf zur Krankenhaushygiene

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH),  der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) und des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Krankenhaushygiene und zur Änderung weiterer Gesetze

1. Grundsätzliche Anmerkung

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) befasst sich seit ihrer Gründung im Jahre 1990 mit der Verhütung und Kontrolle im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung erworbener Infektionen mit den Schwerpunkten Infektionsprophylaxe, Gesundheitsförderung und Umweltschutz. Sie ist die Fachgesellschaft für Krankenhaushygiene in Deutschland. Sie ist assoziiert mit nahezu allen europäischen Fachgesellschaften für Krankenhaushygiene und berät u. a. durch Mitglieder der Gesellschaft das Robert Koch-Institut in der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention sowie die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften (AWMF). Sie ist Mitglied im Verbund Angewandter Hygiene (VAH) mit den weiteren Hygienefachgesellschaften wie der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP), der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) sowie dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD).
Die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) fördert die Hygiene, Umweltmedizin, Präventivmedizin, Environmental und Public Health Sciences sowie angrenzende Fachgebiete in Forschung, Lehre, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Entwicklung sowie Anwendung und nimmt auch Aufgaben im Bereich der mittelbaren Krankenversorgung (insbesondere Krankenhaushygiene) und Prophylaxe wahr. Dabei entwickelt und prüft sie Konzepte, verbreitet deren Kenntnisse und Anwendung und wirkt bei der wissenschaftlichen Interpretation der Ergebnisse mit.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) ist bundesweit die fachliche und tarifpolitische Vertretung der in den Gesundheitsämtern tätigen Ärztinnen und Ärzte und kooperiert mit zahlreichen wissenschaftlichen und ärztlichen Verbänden, Organisationen und Institutionen. Der Bundesverband ist Mitglied des Dachverbandes „Deutsche Gesellschaft für Public Health e.V. (DGPH)“, auf europäischer Ebene in der „European Union for School and University Health and Medicine (EUSUHM)“ und in der „World Federation of Public Health Associations (WFPHA)“.

Die infektionshygienische Überwachung von Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber, Obdachlose und ähnliche Einrichtungen wie

Justizvollzugsanstalten sowie Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen liegt nach den jetzigen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes bei den Gesundheitsämtern. Schon durch die Vielzahl der zu überwachenden Einrichtungen unterschiedlichster Art verfügt der öffentliche Gesundheitsdienst über ein breites Erfahrungswissen auf dem Gebiet der Hygiene. Dabei ist zu betonen, dass die gesetzlich vorgegebene infektionshygienische Überwachung sich nicht nur auf die Prüfung der gesetzlichen Vorgaben und schriftlichen Dokumentationen, wie z. B. der nosokomialen Infektionsstatistik nach § 23 IfSG beschränkt, sondern im Regelfall auch mit einer Begehung und Beratung vor Ort in den genannten Einrichtungen verbunden ist. Eine solch umfassende Überprüfung der Hygiene wird im Krankenhausbereich von keiner anderen externen Organisation durchgeführt. Der BVÖGD bringt daher seine umfassende fachliche Expertise bei der Durchführung der Hygieneüberwachung in diese Stellungnahme mit ein.

DGKH, GHUP und BVÖGD begrüßen ausdrücklich, dass mit dem vorgelegten Entwurf des Krankenhaushygienegesetzes der hohe gesundheitspolitische Stellenwert von Medizin assoziierten Infektionen sowohl im Krankenhaus als auch in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung eine weitere bedeutsame gesundheitspolitische Anerkennung und gesetzliche Mandatierung erfährt. Wir halten eine derartige weitere Verbesserung der Risikoregulierung auf diesem Gebiet für dringend erforderlich. Insofern erfahren die Anstrengungen des Bundesgesundheitsministeriums unsere nachdrückliche Unterstützung.

Nachfolgend werden die einzelnen Punkte des Entwurfs, die aus Sicht der DGKH, der GHUP und des BVÖGD zu kommentieren sind, kritisch konstruktiv behandelt.

2. Detailkommentierung

2.1 Zu Punkt A. Problem und Ziel

In diesem Kapitel wird auf die epidemiologische Bedeutung eingegangen. Es wird ausgeführt, dass jährlich ca. 400.000 – 600.000 Patientinnen und Patienten an Krankenhausinfektionen erkranken und schätzungsweise zwischen 7.500 – 15.000 hieran versterben. Diese Zahlen beruhen auf der in den 90er Jahren durchgeführten NIDEP-Studie.
Die damals durchgeführte Prävalenzstudie ergab eine Rate von 3,5 % nosokomialen Infektionen bei 15 Millionen im Krankenhaus behandelter Personen. Da im Jahre 2009 17,8 Millionen Menschen im Krankenhaus behandelt wurden, korrelieren die angegebenen 400.000 – 600.000 nosokomiale Infektionen mit einem prozentualen Anteil von 2,24 – 3,37 % der 17,8 Millionen im Krankenhaus behandelten Patienten. Diese Zahlen sind auch im internationalen Vergleich als extrem niedrig einzustufen und entsprechen vor dem Hintergrund einer erwarteten Zunahme auf 19 Millionen stationäre Fälle bis zum Jahr 2030 bei sinkender Gesamtbevölkerung sicherlich nicht der tatsächlichen Prävalenz nosokomialer Infektionen. Dabei muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass es sich bei den abgeleiteten NIDEP Daten primär nur um die Erfassung sog. Device-assoziierter Infektionen handelt und weitere Infektionen, wie insbesondere Gastrointestinalinfektionen unzureichend berücksichtigt sind. Da aber gerade Clostridium difficile und Norovirus-Infektionen zu einem erheblichen Teil und mit zunehmender Tendenz nosokomiale Infektionen bedingen, muss aus unserer Sicht die Größenordnung der nosokomialen Infektionen sicher nach oben korrigiert werden. Darüber hinaus bezieht sich diese Aussage lediglich auf krankenhauserworbene Infektionen. Infektionen, die in Rehabilitationskliniken auftreten, oder die in Praxen für ambulante Operationen erworben werden bzw. bei der Versorgung von Patienten im häuslichen Umfeld erworben werden, müssen zusätzlich berücksichtigt werden, weswegen mit einer höheren Zahl nosokomialer Infektionen gerechnet werden muss. Wir gehen daher in Deutschland von einer Mindestzahl von 700.000 nosokomial erworbenen Infektionen pro Jahr aus.

Auch die Zahl nosokomial assoziierter Todesfälle muss dementsprechend nach oben korrigiert werden, wobei wahrscheinlich mit bis zu 30.000 Todesfällen pro Jahr zu rechnen ist, die direkt und indirekt mit nosokomialen Infektionen assoziiert sind.

Die Korrektur der genannten Zahlen erscheint dringlich, da u. a. damit auch deutlich wird, dass in Übereinstimmung mit der Einschätzung des European Centers for Disease Prevention and Control nosokomiale Infektionen die größte infektiologische Herausforderung unter allen Infektionskrankheiten mit großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit sind. Verbunden damit sind auch erhebliche finanzielle Aufwendungen zur Abwendung dieser die öffentliche Gesundheit bedrohenden Gefahren.

Wir halten es für notwendig, nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in weiteren medizinischen Einrichtungen die Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen zu unterstützen, zu fördern und zu regulieren. Aufgrund der mittlerweile vorliegenden Untersuchungen in Pflegeheimen kann davon

ausgegangen werden, dass in Pflegeheimen ähnlich hohe nosokomiale Infektionsraten zu erwarten sind wie auch in Krankenhäusern.

Die verstärkte Versorgung von Patienten im häuslichen Umfeld durch ambulante Pflegedienste – allein Im Dezember 2005 waren 2,1 Millionen Menschen in Deutschland im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) pflegebedürftig; mehr als zwei Drittel (68 % oder 1,45 Millionen) der Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt, 32 % (677.000) in Pflegeheimen- sowie zunehmende operative Eingriffe im ambulanten Bereich machen es notwendig, auch in der Benennung des Gesetzes diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen. Wir schlagen daher eine Namensänderung des Gesetzes vor, in „Gesetz zur Verbesserung der Hygiene und Infektionsprävention in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen – Krankenhaushygienegesetz “ vor.

2.2 Zu Punkt B. Lösung

Wir begrüßen nachdrücklich die Forderung nach Erlass von Krankenhaushygiene-Verordnungen, um die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern zu schaffen. Wir hatten bereits seit Jahren kritisiert, dass nur wenige Bundesländer, Krankenhaushygiene- Verordnungen erlassen haben.

DGKH, GHUP und BVÖGD halten jedoch nicht nur eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für notwendig. Vielmehr sind in den einzelnen medizinischen Versorgungsbereichen die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Hygieneprobleme aufgrund entsprechend qualifizierter Aus- und Weiterbildung eigenständig erkannt, verhindert und gelöst werden können. Eine Bewältigung der Herausforderungen durch nosokomiale Infektionen nur über gesetzliche Regelungen und Kontrollen ist aus unserer Sicht nicht ausreichend.

Die Einrichtung einer Kommission „Antiinfektive Resistenzlage und Therapie (ART)“ am Robert- Koch-Institut (RKI) halten wir für sinnvoll, da durch falsche Antibiotika-Behandlung eine gefährliche Selektion nosokomialer Infektionserreger mit hoher Antibiotika-Resistenz eingeleitet wird, die die Wirksamkeit krankenhaushygienischer Maßnahmen einschränkt. Bislang ist die Kenntnis über die Zusammenhänge zwischen falscher Antibiotikagabe und der Selektion Antibiotika-resistenter nosokomialer Infektionserreger in der ärztlichen Praxis nur unzureichend bekannt und implementiert. Unter Bezug auf die ärztliche Therapiefreiheit werden Antibiotika nicht nur falsch verordnet, sondern häufig auch über einen zu langen Zeitraum angewandt. Neben der Einrichtung einer entsprechenden Kommission wird es für notwendig gehalten, dass an jeder Klinik eine stringente Regelung ggf. unter Einbeziehung restriktiver Vorgaben für die Antibiotika-Gabe eingehalten wird. Dies gilt in gleicher Weise auch für den ambulanten Bereich. Auch hier sind Fortbildungsveranstaltungen dringend notwendig.

Aus unserer Sicht sollte sowohl die neu einzurichtende ART-Kommission ebenso wie die KRINKO auch mit Vertretern der die Überwachung durchführenden Gesundheitsämter besetzt werden. Wir regen daher an, bei der Neubesetzung der Kommissionen den BVÖGD zu beteiligen.

Wir unterstützen die für den ambulanten vertragsärztlichen Bereich vorgesehene Vergütungsregelung (Sanierung von MRSA-besiedelten und MRSA-infizierten Patientinnen und Patienten). Das Fehlen einer solchen Vergütung ist derzeit immer noch ein wichtiges Hemmnis für die breite Anwendung von Screening-Untersuchungen. Zudem müssen die Kosten für Sanierungssets übernommen werden, die im Schnitt bis zu 70 Euro betragen, bislang von den Patienten selber getragen werden. Dies ist insbesondere für sozial Benachteiligte unserer Bevölkerung eine unzumutbare Belastung. Aus diesem Grunde wird diese Regelung nachdrücklich begrüßt.

2.3 Zu Punkt D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Bund
Zur Arbeit der Kommissionen ART und KRINKO werden Forderungen erhoben, neue Empfehlungen zeitgerecht zu erarbeiten und existierende Empfehlungen regelmäßig anzupassen. Zur Förderung werden Personalmittel für das Robert Koch-Institut für Epidemiologen, Wissenschaftler und Statistiker im Wert von insgesamt 980.000 Euro eingefordert.

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene unterstützt – wie bereits erwähnt – die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention durch ihre Mitglieder, die langjährig in der Kommission tätig sind und maßgeblich u. a. in den Funktionen als Vorsitzende der Kommission deren Arbeit gefördert haben. So begründet die Forderungen nach Einstellung von Wissenschaftlern und Statistikern wie auch Epidemiologen beim Robert Koch-Institut sind, wird hierdurch aus unserer Sicht die Arbeit der Kommission bei der zeitgerechten Erarbeitung neuer Empfehlungen und Anpassung existierender Empfehlungen nur bedingt verbessert.

Die Erstellung evidenzbasierter Empfehlungen ist und bleibt zeitaufwändig. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder finden bislang in keiner Weise – mit Ausnahme der Ehre einer derartigen Kommission anzugehören – Anerkennung in ihren Fakultäten in Form der Würdigung z. B. als Impact-Faktoren oder geldwerte Gegenleistungen für die jeweiligen Universitäten, – nicht für die ehrenamtlich Tätigen Mitglieder dieser Kommissionen. Hierdurch könnte die Arbeit eine erhebliche Attraktivität erfahren, weswegen nicht primär nur Mittel für die Unterstützung der Arbeit des RKI notwendig ist, sondern ebenfalls eine Aufwertung und Anerkennung der Arbeit der ehrenamtlich tätigen Mitglieder. Die kreative Arbeit bei der Umsetzung der krankenhaushygienischen Empfehlung erfordert fundierte Erkenntnisse in der angewandten Krankenhaushygiene und in dessen Management und kann weder durch Epidemiologen noch durch Statistiker ersetzt werden.

Länder
Die Länder haben die Verantwortung für die Umsetzung der hygienischen Forderungen in der medizinischen Versorgung. Zum Teil sind die strukturellen Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern katastrophal schlecht. In den letzten Jahren ist es zu einem dramatischen Abbau sowohl von Hygienelehrstühlen als auch von krankenhaushygienisch notwendiger Infrastruktur, auf die Länder bzw. der öffentliche Gesundheitsdienst zurückgreifen können, gekommen. Auch in den Gesundheitsämtern sind die personellen Ressourcen durch Personalabbau und Nachwuchsmangel in den letzten Jahren erheblich reduziert worden.

Ein systematisches Ausbruchmanagement, welches neben epidemiologischen Kapazitäten insbesondere krankenhaus-hygienische Expertise, ortshygienischen Spürsinn und hygienisch- mikrobiologische Laborexpertise voraussetzt, existiert nur noch marginal und ist in zahlreichen Bundesländern nicht mehr abrufbar. Deutschland fällt mittlerweile im internationalen Bereich diesbezüglich dramatisch zurück.

Sowohl in den Niederlanden, in England als auch in Frankreich existieren hierzu wesentlich bessere Kapazitäten.

Frankreich hat durch Einrichtung regional verteilter Referenzzentren an den Universitäten eine vorbildliche Infrastruktur geschaffen, die regional sehr effizient tätig ist. Hierdurch ist es gelungen, die Zahl nosokomialer Infektionen, auch von MRSA, nachdrücklich zu reduzieren. In Deutschland dagegen stagniert seit dem dramatischen Anstieg von MRSA-Infektionen bis zum Jahr 2001 um 11 Prozentpunkte von weniger als 10 % auf 20% in kurzer Zeit die Zahl von MRSA-Infektionen auf hohem Niveau.

Die Einrichtung von Netzwerken, z. B. für die Kontrolle von MRSA und anderen multiresistenten Erregern ist in Deutschland weitgehend der Eigeninitiative von Gesundheitsämtern und Hygiene- Instituten überlassen und erfährt keine nachhaltige finanzielle Unterstützung. Die Kontrolle nosokomialer Infektionen kann nicht alleine im Verantwortungsbereich einer Klinik oder eines Gesundheitsamtes umgesetzt werden, sondern bedarf regionaler koordinierender infrastruktureller Anstrengungen. Hierfür sind seitens der Länder finanzielle Mittel vorzusehen, um eine verbesserte Koordination sicherzustellen.

Die Länder sind auch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung mit zuständig. Insbesondere auf dem Gebiet der Ausbildung gibt es geradezu dramatische Defizite, besonders im Medizinstudium im Fach Hygiene. Zum Teil werden an deutschen Universitäten Medizinstudenten nur mit ca. 2 Stunden im Fach Hygiene unterrichtet. Hierdurch kann eine entsprechende Grundkenntnis und eine Motivation zur Umsetzung und Durchsetzung krankenhaushygienischer Forderungen gar nicht erreicht werden. Insofern muss sowohl durch den Bund (Änderung der Approbationsordnung) als auch durch die Länder (Forderung nach Sicherstellung einer ausreichenden Zahl von eigenständigen Hygienelehrstühlen an den Universitäten durch die Wissenschaftsministerien) gewährleistet werden,

dass die entsprechenden Voraussetzungen für die Ausbildung verbessert werden. Die Konsequenzen für die Verbesserung der Hygienesituation durch Veränderung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten bereits im Medizinstudium dürften enorm sein. Hierzu wird auf die gemeinsame Stellungnahme des BVÖGD, der GHUP und der DGKH im Deutschen Ärzteblatt im Dezember 2010 verwiesen, in der eine Änderung der Approbationsordnung und die Einrichtung von Hygienelehrstühlen gefordert wird.

Ein weiterer wesentlicher Punkt zur Verbesserung der Krankenhaushygiene ist aus unserer Sicht eine ausreichende Personalausstattung. Es sollte in allen Bereichen, die mit Krankenhaushygiene zu tun haben, genügend Personal mit entsprechender Qualifikation eingestellt werden. Das betrifft insbesondere Hygienefachkräfte, Krankenhaushygieniker und hygienebeauftragte Ärzte. Als Grundlage für die Berechnung der Personalquote sollten die von der Kommission für Krankenhaushygiene (KRINKO) gegebenen Empfehlungen für personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen herangezogen werden. In der Praxis ist zu beobachten, dass diese Hygieneempfehlungen nicht immer eingehalten werden. Daher begrüßen wir die nun im Gesetzentwurf vorgesehene neue Verankerung der Empfehlung der KRINKO in § 23, Absatz 3 IfSG und schlagen vor, die Kontrolle der Personalquoten in den Krankenhäusern grundsätzlich in die infektionshygienische Überwachung der Gesundheitsämter einzubeziehen.

Aber nicht nur das Personal im Krankenhausbereich muss ausreichend vorhanden sein, auch in den Gesundheitsämtern, die die Hygieneüberwachung aller Einrichtungen nach gesetzlichem Auftrag durchführen, muss eine entsprechende Personalausstattung vorgehalten werden. Schon jetzt beobachten wir im Bereich der Hygieneüberwachung ein erhebliches Vollzugsdefizit, was durch die unterschiedliche personelle Ausstattung aufgrund der Kommunalisierung der Gesundheitsämter bedingt ist. Wir halten es deshalb für erforderlich, dass die KRINKO auch Empfehlungen zur Personalausstattung der die Hygieneüberwachung durchführenden Behörden ausspricht.

Gesetzliche Krankenversicherung
Es gibt derzeit keine Möglichkeit zur Kostenübernahme notwendiger Hygienemaßnahmen im häuslichen Umfeld. Müssen immunsupprimierte oder MRSA-kolonisierte Patientinnen und Patienten entsprechend den Empfehlungen der KRINKO Hygienemaßnahmen wie z. B. Einsatz von Handschuhen, Mundschutz und Desinfektionsmittel durchführen, so gibt es hierzu keine Kostenerstattungsregelung. Auch der Einsatz endständiger Filtersysteme an Wasserhähnen und Duschen zur Verhütung gefährlicher Infektionen durch wasserassoziierte Mikroorganismen wie Pseudomonas aeruginosa oder andere nicht fermentierende Mikroorganismen und Enterobacteriaceae sind bislang nicht erstattungsfähig. Die Filtersysteme werden zur Prävention wasserassoziierter Infektionen eingesetzt und sparen dadurch erhebliche Folgekosten durch vermiedenen Krankenhausaufenthalt ein. Krankenhausaufenthalte und Antibiotika-Verordnungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen selbstverständlich getragen, Präventionsmaßnahmen, die diese vermeiden helfen, jedoch nicht.

2.4 Zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung der Krankenhaushygiene und zur Änderung weiterer Gesetze“

Im Folgenden wird vor dem Hintergrund unserer Ausführungen in den Absätzen 1 und 2.1 bis
2.3 auf Einzelaspekte im Detail eingegangen, Änderungsvorschläge zum Gesetzestext vorgetragen und diese ggf. zusätzlich erläutert.

2.4.1 Name des Gesetzes
Es wird vorgeschlagen, den Namen des Gesetzes zu ändern in
„Gesetz zur Verbesserung der Hygiene und Infektionsprävention in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen und zur Änderung weiterer Gesetze ( Kurzform: Krankenhaushygienegesetz)“.

2.4.2 Artikel 1: Änderung des Infektionsschutzgesetzes
§ 9, Absatz 1, Satz 1
Die Ergänzung der namentlichen Meldung mit dem Bezug auf die neuen Absätze 5 und 6 des § 23 IfsG wird begrüßt.

§ 11, Absatz 2
Durch die erweiterten Meldepflichten entsteht eine vermehrte Belastung der Gesundheitsämter. Nach dem Konnexizitätsprinzip ist hier eine Kostenerstattungsregel erforderlich. Der Mehraufwand wird entscheidend von der praktizierten Umsetzung des Gesetzesgedankens abhängen und ist nur mit vielen Ungenauigkeiten abzuschätzen.

§ 23, Absatz 1, Satz 1
Es wird vorgeschlagen, den ersten Satz wie folgt zu ändern:
„Beim Robert Koch-Institut ist eine Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention eingerichtet.“

§ 23, Absatz 1, Satz 6
Es wird vorgeschlagen Satz 6 in der Form zu ergänzen:
„Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der Obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes, des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte und der unteren Gesundheitsbehörden nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil.

§ 23, Absatz 2, Satz 6
Hier sollte es ebenso heißen:
„Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der Obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes, des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte und der unteren Gesundheitsbehörden nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil.

§ 23, Absatz 3
Im Gesetz sollte klargestellt werden, welche Einrichtungen gemeint sind. Wir schlagen daher vor zu formulieren:
(3) „Die Leiter von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen, insbesondere Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialysezentren, medizinische Versorgungszentren, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen sonstiger Heilberufe, (Alten-)Pflegeheime, ambulante Pflegedienste haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solche mit Resistenzen, zu vermeiden.“

Es wird vorgeschlagen, einen Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Nichtbeachten der Empfehlungen der KRINKO und der ART gesetzlich zu verankern, indem dies in § 73 IfsG in den Katalog der Ordnungswidrigkeiten mit aufgenommen wird.

§ 23, Absatz 4, Satz 2
Aus der Erfahrung der Gesundheitsämter sollte diesen nicht nur auf Verlangen Einsicht gewährt werden, sondern eine Umformulierung vorgenommen werden:
„Dem zuständigen Gesundheitsamt sind die Aufzeichnungen vorzulegen.“

§ 23, Absatz 5
Es wird vorgeschlagen, einen Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Nichterstellung von Hygieneplänen gesetzlich zu verankern, indem dieser in § 73 IfsG mit aufgeführt wird.

Außerdem empfehlen wir folgende stringentere Formulierung:
„Die Leiterinnen und Leiter von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen, insbesondere Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialysezentren, medizinische Versorgungszentren, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen sonstiger Heilberufe, (Alten)Pflegeheime, ambulante Pflegedienste, haben sicherzustellen …..

§ 23 Abs. 6
Zur Klarstellung, dass auch Praxen, die endoskopische Eingriffe durchführen, der Überwachung durch das Gesundheitsamt unterliegen, sollten diese explizit aufgeführt werden.
„Arztpraxen sowie Zahnarztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive einschließlich endoskopischer Eingriffe vorgenommen werden, können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden.“

§ 23 Abs. 8
Die Verpflichtung der Landesregierung, Rechtsverordnungen für die genannten medizinischen Einrichtungen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu erlassen, wird begrüßt.

In § 23 Abs. 8 soll nach Punkt 1 ergänzt werden: Verpflichtende Beteiligung der Gesundheitsämter bei geplanten Bau und Umbaumaßnahmen. Nur so kann vermieden werden, dass im Nachhinein teure Umbaumaßnahmen aufgrund hygienischer Mängel erforderlich werden. Die Baubehörden sollen explizit verpflichtet werden, bei der Genehmigung entsprechender Einrichtungen die Gesundheitsämter bei Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen.

Wir empfehlen, dass das Inkrafttreten dieser Rechtsverordnungen zum 31.12.2011 festgeschrieben werden sollte. Zusätzlich sollten Teile der Rechtsverordnungen auch für Arztpraxen gelten und Anwendungen finden.

Zusätzlich sollten die Landesregierungen aufgefordert werden, bei der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten im Medizinstudium die Inhalte der Hygiene in ausreichendem Umfang sicherzustellen. Hierzu wird die Einrichtung von eigenständigen Hygienelehrstühlen in den Ländern für erforderlich angesehen. Eine Verschmelzung mit Instituten für medizinische Mikrobiologie wird dem Ziel einer verbesserten Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Hygiene in der medizinischen Versorgung nicht gerecht.

§ 23, Absatz 8, Satz 1
In Absatz 8, Nr. 1 sollte durch die Einführung des Zusatzes „und sonstige Einrichtungen“ klar gestellt werden, dass auch andere invasive Tätigkeiten, wie z. B. endoskopische Untersuchungen unter diesen Tatbestand fallen. Damit eine mögliche Regelungslücke für solche Einrichtungen ausgeschlossen wird, wäre der Text deshalb wie folgt zu ergänzen:
„Die Landesregierungen haben durch Rechtsverordnungen für Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen und sonstigen Einrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, …

§ 23, Absatz 8, Satz 2
Unserer Auffassung nach müssen nicht nur Krankenhäuser, sondern auch Hygiene überwachende Behörden mit entsprechendem Fachpersonal ausgestattet werden. Wir schlagen daher vor, den Satz 2 Nr. 3 wie folgt zu ergänzen:
„Die erforderliche personelle Ausstattung mit Hygienefachkräften und Krankenhaushygienikern und Bestellung von Hygienebeauftragten sowie Fachpersonal in den zuständigen Gesundheitsbehörden gemäß Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.

§ 29, Absatz 2
Bei den in § 29 Absatz 2 festgelegten Beobachtungs- und Duldungspflichten soll nach Absatz 2 Satz vor und nach Angabe „§ 36, Absatz 1“ die Angabe „oder § 23 Absatz 5“ ergänzt werden um „oder 6“. Hierdurch wird sichergestellt, dass medizinisches Personal in Arzt/Zahnarztpraxen und Heilpraktiker miterfasst werden.

§ 73
Es wird eine Aufnahme der Ordnungswidrigkeitstatbestände bei Zuwiderhandlung gegen die Vorgaben des § 23 IfsG der Absätze 3, 5 und 6 in § 73 Absatz 1 IfsG nach Nr. 10 vorgeschlagen (siehe oben, Kommentar zu § 23 IfsG).

2.4.2 Artikel 3 Änderung des 5. Buches Sozialgesetzbuch

§ 87 Absatz 2 a
Die Ergänzung des § 87, Absatz 2 a um die Regelung zur Finanzierung ärztlicher Leistungen zur Diagnostik und ambulanten Eradikationstherapie von Trägern mit MRSA wird ausdrücklich begrüßt. Wünschenswert wäre, dass auch die Übernahme der Kosten für Sanierungssets für betroffene Versicherte im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V geregelt würde. Es wird darüber hinaus angeregt, eine Öffnungsklausel – je nach epidemiologischer Situation – ggf. für weitere Keime mit Multiresistenzen vorzusehen und Maßnahmen nach fachlicher Beratung und Empfehlung der unter § 23 Absatz 1 + 2 genannten Kommissionen festzulegen.

§ 137 a
Bei der Festlegung von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der Hygiene in der Versorgung und insbesondere der Indikatoren zur Beurteilung der Hygienequalität wird es als erforderlich gesehen, dass unsere fachliche Expertise mit einbezogen wird. Auch in anderen Ländern existieren bereits ähnliche Modelle, die mit berücksichtigt werden sollen. So ist z. B. in Frankreich ein sog. Hundert-Punkte-System eingeführt worden, wozu u.
a. auch die Ausstattung mit Hygienefachpersonal zählt.

3. Zusammenfassende Bewertung

Zusammenfassend möchten wir unsere Anerkennung für diesen Gesetzentwurf aussprechen, der sicher zu einer deutlichen Verbesserung der Hygiene in der medizinischen Versorgung beitragen wird.

Allerdings machen wir darauf aufmerksam, dass alle Regelungen, die im Entwurf eines Krankenhaushygienegesetzes vorgesehen sind, auf einer ausreichenden Zahl an qualifiziertem Hygienefachpersonal basieren. Derzeit existiert weder eine ausreichende Zahl von Fachärzten für Hygiene bzw. von Krankenhaushygienikern mit entsprechender Zusatzausbildung noch genügend Personal in den die Hygieneüberwachung durchführenden Gesundheitsämtern. Ferner betrifft diese personelle Mangelsituation zunehmend auch die weitere, aus krankenhaushygienischer Sicht notwendige Infrastruktur, z.B. in Form von entsprechenden Landeseinrichtungen.

Um in den nächsten Jahren den erheblichen Mangel an qualifiziertem Fachpersonal für Hygiene und Krankenhaushygiene ausgleichen zu können, fordern DGKH, GHUP und BVÖGD gemeinsam die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen auf, auch zur Lösung dieser Probleme die notwendigen finanziellen Mittel bereit zu stellen. Zusätzlich sollten die Landesregierungen aufgefordert werden, bei der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten im Medizinstudium die Inhalte der Hygiene in entsprechendem Umfang sicherzustellen. Hierzu wird die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von eigenständigen Hygienelehrstühlen an den Universitäten in den Ländern für erforderlich angesehen. Außerdem sollte ein neues Fach „Hygiene und Öffentliche Gesundheit“ in der ärztlichen Approbationsordnung eingeführt werden. Eine Verschmelzung mit Instituten für medizinische Mikrobiologie wird dem Ziel einer verbesserten Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Hygiene in der medizinischen Versorgung nicht gerecht.

Die geforderte Überwachungstätigkeit durch den öffentlichen Gesundheitsdienst setzt auch dort ausreichend qualifiziertes und ausgebildetes Personal voraus. Im ÖGD zeichnet sich derzeit ein zunehmender Nachwuchsmangel ab. In diesem Zusammenhang wird auf die nachteiligen Tarifbedingungen im öffentlichen Gesundheitsdienst hingewiesen. DGKH, GHUP und BVÖGD halten es deshalb für dringend erforderlich, dass – auch zur Erfüllung der in § 23 angesprochen Aufgaben – eine Tarifangleichung an die Arzttarife im Krankenhaus für den Öffentlichen Gesundheitsdienst erfolgt. Nur so kann qualifiziertes ärztliches Personal für diese Überwachungsaufgaben gewonnen werden.

Aufgrund der Komplexität der in diesem Gesetzentwurf angesprochenen Fragestellungen und Lösungsansätzen stehen DGKH, GHUP und BVÖGD auch gerne zu einer mündlichen Erörterung zur Verfügung.

Dr. med. Ute Teichert-Barthel, MPH
Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen

Prof. Dr. med. Martin Exner
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene Gesundheitsdienstes

Prof. Dr. med. Thomas Eikmann
Präsident der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin

(22.02.2011)



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