Aktionen

Stellungnahme

Lernziele der Hospitationen und Fallkonferenzen im Rahmen der strukturierten curricularen Fortbildung „Krankenhaushygiene“

Vielen Dank für die Gelegenheit Stellung nehmen zu können. Die von Frau Prof. Herr, Frau Dipl. med. Albrecht und Herrn Prof. Exner entwickelten Lernziele werden grundsätzlich sehr begrüßt.

Aus Sicht des BVÖGD ist nur der Umstand klärungsbedürftig, der die Anerkennung der Weiterbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und die praktischen Erfahrungen im Rahmen der curricularen Fortbildung betrifft. Der BVÖGD vertritt hier die Auffassung, dass durch die Weiterbildung und die praktische Erfahrung im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) eine umfangreiche Kenntnis der Infektions- und Krankenhaushygiene erworben wird. Diese sollte sich daher darin widerspiegeln, dass nach der erfolgreichen Teilnahme an der curricularen Fortbildung „Krankenhaushygiene“ eine gleichwertige Qualifikation wie bei klinischen Fachärzten erworben wird. Nachfolgend werden noch einmal die Gründe für diese Position aufgeführt.

Die Weiterbildung zur/m Fachärztin/Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen enthält, im Unterschied zu allen anderen Fachgebieten, verpflichtend einen strukturierten theoretischen Anteil von mindestens 720 Stunden (6 Monate). Die theoretische Weiterbildung umfasst sechs Bereiche (Module), deren Umfang zwischen 96 Stunden und 174 Stunden variiert.

Typischerweise wird dabei das Thema Hygiene im Rahmen eines fünfwöchigen Moduls mit insgesamt 174 Stunden abgebildet. Dieses enthält neben einer breit angelegten Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Siedlungs- und Innenraumhygiene, Trinkwasserhygiene, Lebensmittelhygiene, zum Infektionsschutz sowie zur Hygiene öffentlicher Einrichtungen (z. B. medizinische Fragen der Bauleitplanung, Hygienestandards in Gemeinschaftseinrichtungen) auch die speziellen Anforderungen und die Durchführung von Praxis- und Krankenhaushygiene. Darin inbegriffen sind qualitätssichernde Maßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen, ebenso wie die Vermittlung von Kenntnissen zu Prozessen und Sicherungsmaßnahmen bei der Risikobewertung hygienischer Verfahren. Die theoretische Weiterbildung zielt dabei nicht nur auf die Vermittlung von Kenntnissen zu wissenschaftlichen Standards und rechtlichen Normen ab, sondern auch auf Erlernen von praktischen Fähigkeiten durch Übungen und Demonstrationen.

Der hohe Anteil von Hygieneinhalten in der theoretischen Weiterbildung entspricht der Bedeutung des Themas in der Alltagsarbeit eines Gesundheitsamtes oder einer sonstigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten als Maßnahme des bevölkerungsbezogenen Gesundheitsschutzes ist eine zentrale Aufgabe des ÖGD. Nach einer Schätzung für Baden-Württemberg beanspruchten die mit der Hygiene verbundenen Aufgabengebiete Seuchenhygiene, Gesundheitsschutz, Umwelthygiene und Toxikologie bereits 1989 etwa 41% der Kapazität des öffentlichen Gesundheitsdienstes (1).

Dieser Anteil ist mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 und der sich daraus ergebenden neuen Aufgabengebiete (z. B infektionshygienische Überwachung von ambulant operierenden Einrichtungen) sowie durch die erst kürzlich etablierten medizinischen Hygieneverordnungen auf Landesebene, nach denen dem öffentlichen Gesundheitsdienst die koordinierende Funktion in Netzwerken zur Gesundheitsförderung und Infektionsprävention z. B. bei der Bekämpfung der Weiterverbreitung multiresistenter Erreger zugeschrieben wird, nicht geringer geworden. In diesem Zusammenhang ist auch die zusätzliche Aufgabe zu nennen, an der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen entscheidend mitzuwirken, sei es durch den Aufbau und die Moderation entsprechender Netzwerkstrukturen auf kommunaler Ebene oder durch die Surveillance des Antibiotikaverbrauchs und damit der Förderung des sachgerechten Antibiotikaeinsatzes (2). Zur Infektionsprävention gehört nicht nur die Sicherstellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Trinkwasser und Lebensmitteln, sondern auch die Registrierung von bedeutsamen, neuen und multiresistenten Erregern in der Bevölkerung, eine besondere Berücksichtigung von besonders gefährdeten Personengruppen (z. B. Krankenhauspatienten) sowie das Ergreifen geeigneter und angemessener Interventionsmaßnahmen.

Vorbeugender Gesundheitsschutz vor vermeidbaren Infektionen und deren Weiterverbreitung bedarf dabei sowohl einer kontinuierlichen Beobachtung der Situation bzw. Entwicklung vor Ort als auch der Vorgabe und Einhaltung von bestimmten Hygienestandards. Dies gilt insbesondere in infektionsrelevanten Einrichtungen, bei denen durch die Art der durchgeführten Verfahren (z. B. Operationen), die Betreuung von Personen mit gesteigerter Empfänglichkeit gegenüber Infektionserkrankungen (z. B. Pflegeheimbewohner) oder das Vorliegen von übertrag ungserleichternden Rahmenbedingungen (z. B. Menschenansammlungen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten oder Schulen) ein erhöhtes Risiko für Patienten, Personal und die Gemeinschaft gegeben ist. Diese „infektionshygienische Überwachung“ ist eine originäre Aufgabe der unteren Gesundheitsbehörden (Gesundheitsämter) in den einzelnen Kommunen. Gesetzliche Grundlagen für die Überwachungstätigkeit bilden – als bundesgesetzliche Regelung das Infektionsschutzgesetz (IfSG) – sowie landesspezifische Gesetze und Regelungen wie z. B. über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Länderhygieneverordnungen.
Das Gesundheitsamt fungiert nach diesen Vorgaben nicht nur als überwachende, sondern auch als beratende und betreuende Institution. Die infektionshygienische Überwachung durch den ÖGD ergänzt darin das System der verpflichtenden Eigenmaßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß §§ 135 und 137 Sozialgesetzbuch (SGB) V für die stationäre und ambulante Versorgung im Sinne einer externen Qualitätssicherung und Prozessbegleitung.

Zu den gesetzlich verpflichtend zu prüfenden Einrichtungen gemäß §§ 23 und 36 IfSG (und den verschiedenen Länderhygieneverordnungen) gehören auch die Krankenhäuser und Einrichtungen für ambulantes Operieren. Die Empfehlungen für die Frequenz einer infektionshygienischen Überwachung von Krankenhäusern mit operativen Einheiten sehen vor dem Hintergrund eines erhöhten Infektionsrisikos einen jährlichen Rhythmus vor (3, 4).

Die durchschnittliche Menge an zu begehenden Krankenhäusern in den einzelnen Kommunen beträgt zwar lediglich ca. 2,1 Kliniken pro 100.000 Einwohnern (5), ist jedoch regional unterschiedlich. Zudem summiert sich die Gesamtzahl der infektionshygienisch zu überwachenden Einrichtungen z. B. alleine in Frankfurt/Main auf nahezu 2300 (6). Die bedeutet theoretisch einen Schnitt von über sechs Begehungen pro Tag.

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Infektionshygiene sowohl in der theoretischen Weiterbildung als auch in der praktischen Umsetzung einen großen Raum einnimmt. Es ist daher nicht ersichtlich, warum Teilnehmern an der curriculären Fortbildung „Krankenhaushygiene“ aus dem Bereich des ÖGD eine gleichwertige Qualifikation wie bei klinischen Fachärzten nach erfolgreicher Teilnahme nicht gewährt werden sollte. Vielmehr ist aus Sicht des BVÖGD eine Tätigkeit als Fachärztin/Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen ein Garant für eine umfassende Beschäftigung mit dem Themenkomplex Hygiene, der in vergleichbarer Form bei anderen fachärztlichen Weiterbildungen nicht beinhaltet ist.

Der BVÖGD bittet daher, dass nach der erfolgreichen Teilnahme an der curricularen Fortbildung „Krankenhaushygiene“ eine gleichwertige Qualifikation wie bei klinischen Fachärzten erworben wird.

Literatur:
1. Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung Baden-Württemberg (Hg.) (1989): Zukunftsperspektiven des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Stuttgart
2. DART – Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (2011). Bundesministerium für Gesundheit, www.bundesgesundheitsministerium.de
3. Rissland J. (2011). Infektionshygienische Überwachung durch Gesundheitsämter – Empfehlungen (nicht nur) für den ÖGD in Rheinland-Pfalz. Gesundheitswesen; 73(11): 737-743
4. Rissland J, Teichert-Barthel U (2012). Konzept zur Hygieneüberwachung in Rheinland-Pfalz – warum, wie oft und wer? HygMed; 37 [5]: 190–195
5. www.krankenhaus-report-online.de
6. Heudorf U, Kutzke U, Hofmann H, Otto U (2012). 10 Jahre Infektionsschutzgesetz: Infektionshygienische Überwachung von ambulanten Einrichtungen nach §36 Abs.1 und 2 IfSG – Erfahrungen aus Frankfurt am Main. Gesundheitswesen; 74 – P18



Weiterführende Dokumente