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Meldepflicht – Amtsärzte drohen mit Staatsanwalt

Das Infektionsschutzgesetz beinhaltet zahlreiche Krankheiten und Erreger, die Ärzte und Labore melden müssen. Auf ihrem Kongress erinnerten die Amtsärzte: Wer nicht oder spät meldet, kann richtig Ärger bekommen.

MAGDEBURG. Nicht gemeldete Infektionskrankheiten erschweren nicht nur die Aufklärung von Ausbrüchen, schlimmstenfalls sorgen sie sogar für unnötige Todesfälle.

Auf der 64. Jahrestagung des Bundesverbands der Amtsärzte (BVÖGD) in Magdeburg gab es deswegen deutliche Kritik an teils massiven Defiziten beim Umgang mit der Meldepflicht. Manche der anwesenden Amtsärzte forderten bei Verstößen gegen diese Pflichten gar, den Staatsanwalt auf den Plan zu rufen.

Welche gravierenden Auswirkungen nicht gemeldete Erkrankungen oder Infektionserreger haben können, machten die Amtsärzte an zahlreichen Beispielen fest: etwa aus Warstein im Kreis Soest. Dort gab es im Sommer 2013 einen großen Legionellenausbruch mit über 160 Erkrankten und drei Todesfällen.

Über eine mit Legionellen kontaminierte Kläranlage waren die Erreger in einen Fluss gelangt, aus dem ein Betrieb Wasser für seine Rückkühlanlage bezogen hat. So kamen die Erreger schließlich per Wasserdampf in die Luft und konnten zahlreiche Menschen in der Umgebung infizieren.

Als beim zuständigen Gesundheitsamt die ersten Meldungen atypischer Pneumonien eingingen, hatte in der Klinik noch niemand an eine Legionellendiagnostik gedacht.

Kurios im Nachhinein: Sehr wohl hatten die Ärzte bei der Therapie an Legionellen gedacht und unter anderem eine adäquate Antibiose bei den Patienten eingeleitet.

„Meldungen wurden gestapelt“

Das Gesundheitsamt bat die Klinik schließlich, auf Legionellen zu untersuchen. Kurz darauf gab es laut dem damaligen Amtschef Dr. Frank Renken die ersten zwei „fraglich-positiven“ Laborbefunde. An das Amt wurden sie aber nicht gemeldet.

Das war womöglich ein Verstoß gegen Paragraf 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), der eine namentliche Labormeldepflicht für Legionella sp. vorsieht – und zwar binnen 24 Stunden seit der letzten IfSG-Novelle.

Selbst nach den ersten deutlich positiven Nachweisen nahm es das Kliniklabor offenbar noch nicht so ernst mit der Meldepflicht. „Die haben es mit den Meldungen etwas antiquarisch gesehen“, sagte Renken auf dem BVÖGD-Kongress. „Die haben die Meldungen gesammelt, gestapelt und eine Woche später in den Briefkasten geworfen.“

Erst drei Tage darauf lagen die Meldungen beim Amt – mit potenziell negativen Folgen für die Aufklärung des Ausbruchs.

Denn bleiben Cluster durch eine fehlende Meldung unentdeckt, kommen die Epidemiologen schlimmstenfalls zu falschen Hypothesen und suchen in der falschen Richtung. Bei den anwesenden Kongressteilnehmern löste diese Anekdote denn auch heftiges Kopfschütteln aus.

Gebäckstücke verbreiten HAV-Infektion

Dass es noch schlimmer kommen kann, zeigte in Magdeburg der Bericht eines Hepatitis-A-Ausbruchs in Niedersachsen. Dort hatten sich Ende 2012 über 80 Menschen mit Hepatitis-A infiziert.

Vehikel waren Gebäckstücke aus einer Bäckerei, in der eine zuvor an einer HAV-Infektion erkrankte Verkäuferin arbeitete. Die Frau war allerdings vier Wochen vor dem eigentlichen Ausbruch erkrankt.

Weil die Verkäuferin wegen eines Morbus‘ Crohn mit Kortison-Präparaten behandelt wurde, könnte sie die Viren somit deutlich länger ausgeschieden haben, als es normalerweise üblich wäre.

Das Problem für die Amtsärzte: Obwohl die HAV-Infektionen sowohl bei der Frau, die als Indexpatientin gilt, als auch bei weiteren späteren Erkrankten diagnostiziert wurden, erhielt das Gesundheitsamt keine Meldung.

Und für Virushepatitiden besteht nicht nur eine Labormeldepflicht, sondern auch eine namentliche Meldepflicht durch den Arzt. Dafür genügt schon allein der Krankheitsverdacht. Und auch hier muss die Meldung seit 2013 binnen 24 Stunden beim Amt eingegangen sein.

Anzeige bei Staatsanwaltschaft gefordert

Unter den Amtsärzten machte sich ob dieses Berichts beim BVÖGD-Kongress ziemlicher Unmut breit. Wenngleich das Gesundheitsamt im Heidekreis seinerzeit nicht gegen die Labore und Ärzte vorgegangen war, forderten manche Kongressteilnehmer in ähnlichen Fällen die direkte Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Denn durch die fehlende Meldung habe der Ausbruch womöglich erst diese Dimension annehmen können. Eine Verletzung der Meldepflicht könnte deswegen sogar eine Körperverletzung darstellen und schlimmstenfalls zu unnötigen Todesfällen führen.

Im konkreten Fall aus Niedersachsen wäre eine frühe Meldung über die infizierte Verkäuferin noch aus anderen Gründen hilfreich gewesen: „Wenn der Arzt das gemeldete hätte, hätte man die Verkäuferin von Amtswegen sensibilisieren können“, sagte ein Kongressteilnehmer.

Die Frau hätte dann von sich aus womöglich eine ganz andere Hygiene eingehalten, und idealerweise wäre so keines der Gebäckstücke je mit Hepatitis A kontaminiert worden.

Quelle: Ärztezeitung online, 16.05.2014  (nös)