64. Wissenschaftlicher Kongress 2014

Kongresshotel in Magdeburg

In Magdeburg wird heute der 64. Wissenschaftliche Kongress der Bundesverbände der Ärztinnen und Ärzte sowie der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes eröffnet.

Vom 15. bis 17. Mai 2014 trafen sich dort mehr als 700 Kongressteilnehmer aus dem In- und Ausland, um über aktuelle Themen und Herausforderungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) zu diskutieren.

Bei der Eröffnungsveranstaltung richtete Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ein Grußwort an die Teilnehmer und beleuchtete den Stellenwert des ÖGD im deutschen Gesundheitswesen aus Sicht der Bundesregierung.

Nachwuchsmangel an den Gesundheitsämtern – ÖGD in der Generationenfalle

Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD), Dr. Ute Teichert, verwies in ihrer Eröffnungsrede auf den seit Jahren zunehmenden Ärztemangel im ÖGD und die sinkende personelle Ausstattung der Gesundheitsämter.

„Der Ärztemangel im ÖGD muss allen Beteiligten in Bund, Ländern und Gemeinden, die in der Gesundheitspolitik Verantwortung tragen, endlich bewusst werden.“ Die kürzlich von der Bundesärztekammer veröffentlichten Zahlen der Ärztestatistik 2013 sind alarmierend: „Die Gesamtzahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern ist im Vergeblich zum Jahr 1996 um rund ein Drittel zurückgegangen, obwohl die Gesamtzahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland im gleichen Zeitraum um rund 21 Prozent gestiegen ist. So blutet der ÖGD aus und die Versorgung der Bevölkerung gerade in Epidemie-Zeiten ist nicht mehr gesichert“, so Teichert.

Ute Teichert wies auch auf die ungünstige Altersstruktur und den eklatanten Nachwuchsmangel in den Gesundheitsämtern vor Ort hin: „Die Zahl der bei Bund, Ländern und Gemeinden beschäftigten Fachärztinnen und Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen ist mittlerweile niedriger als die Zahl der nicht mehr berufstätigen.

Die drohende Demografiefalle, die der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Montgomery, bei der Vorstellung der Ärztestatistik angesichts eines zunehmenden Altersdurchschnitts der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte beklagt hatte, steht dem ÖGD nicht bevor, sie ist dort längst bittere Realität.“

Unzureichende Bezahlung im Vergleich zu anderen Arztgruppen

Eine wesentliche Ursache für die kritische Personalsituation im ÖGD sieht der Berufsverband in der schlechten Bezahlung und der kontinuierlichen Blockadehaltung der kommunalen Arbeitgeberverbände: „Fachärztinnen und -ärzte, die aus der Klinik in ein Gesundheitsamt wechseln möchten, werden dort auf das Gehaltsniveau eines Berufsanfängers zurückgesetzt. Unterm Strich kann das einen Gehaltsverlust von mehr als 1.000 Euro pro Monat ausmachen. Somit ist der ÖGD beim Werben um qualifizierten fachärztlichen Nachwuchs nahezu chancenlos.“

Seit Herbst 2010 laufen Tarifverhandlungen für den kommunalen Öffentlichen Gesundheitsdienst – eine traurige Never-Ending-Story. Bisher hat die Arbeitgeberseite, konkret die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), in den Tarifverhandlungen mit der dbb-tarifunion und dem Marburger Bund kein akzeptables Angebot unterbreitet, um die Benachteiligung der ÖGD-Ärzte abzubauen. An Einsicht in der gesundheitspolitischen Diskussion, dem Nachwuchsmangel wirksam begegnen zu müssen, mangele es zwar mittlerweile nicht mehr. Die letztjährige Gesundheitsministerkonferenz der Länder habe die kritische Situation im ÖGD deshalb ebenso zu einem Schwerpunktthema gemacht wie der diesjährige Deutsche Ärztetag, der Ende Mai in Düsseldorf stattfindet. Bei Absichtserklärungen und Solidaritätsadressen dürfe es allerdings nicht bleiben, betonte Teichert.

Es müssten nun endlich Taten folgen, wenn man tatsächlich einen arbeitsfähigen und qualitativ hochwertigen ÖGD sichern wolle. Dazu zählt auch, den Stellenwert des ÖGD in der medizinischen Ausbildung zu erhöhen, etwa durch die Etablierung von Lehrstühlen für Öffentliches Gesundheitswesen an den medizinischen Fakultäten und Angebote für Medizinstudenten, Famulaturen und einen Teil des Praktischen Jahres auch in einem Gesundheitsamt zu absolvieren. Erste Beispiele zeigen, dass solche Angebote sehr gut angenommen werden.

Stärkere Einbindung des ÖGD beim neuen Präventionsgesetz

An die Bundesregierung und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe appelliert der BVÖGD, die Gesundheitsämter bei dem im Koalitionsvertrag vorgesehenen Präventionsgesetz stärker einzubinden: „Die dort enthaltene Zielsetzung, insbesondere die Prävention in Lebenswelten, wie Kita, Schulen, Betrieben und Pflegeheimen, zu stärken, wird von uns ausdrücklich unterstützt. Das gilt auch für den vorgesehen breiteren Ansatz, eine Koordination und Kooperation aller Sozialversicherungsträger sowie Länder und Kommunen im Bereich der Prävention über verpflichtende Rahmenbedingungen zu verbessern“, so Teichert.

In dem 2013 gescheiterten Gesetzentwurf, der sich fast ausschließlich auf Veränderungen im Bereich der Krankenversicherung beschränkte, wurde dem Stellenwert des ÖGD im Bereich der Prävention nicht ausreichend Rechnung getragen. „Wir haben als einzige Institution im Gesundheitswesen den direkten Zugang zu verschiedenen Lebenswelten, wie Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, sowie bei der Ansprache sozial benachteiligter Gruppen vor Ort. Die Expertise und das spezifische Know-how des ÖGD sollte man bei dem neuen Anlauf zum Präventionsgesetz nutzen. Dazu bieten wir den gesundheitspolitisch Verantwortlichen unsere Unterstützung an.“

Den Wortlaut der Begrüßungsrede der Bundesvorsitzenden des BVÖGD, Dr. Ute Teichert, beim 64. Wissenschaftlichen Kongress von BVÖGD und BZÖG finden Sie unter www.bvoegd.de.

Weitere Themenschwerpunkte des Kongresses

In den nächsten Tagen wird der Kongress sich u.a. im Rahmen von drei Plenarsitzungen am Freitag, dem 16.05.2014, mit spannenden aktuellen Themen aus dem breit gefächerten Aufgabenspektrum des ÖGD beschäftigen:

„ÖGD meets Katastrophenschutz“ ist ein Thema, das gerade am Veranstaltungsort Magdeburg vor dem Hintergrund des letztjährigen Hochwassers aktuelle Bedeutung erlangt hat.

Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Praxis stehen im Mittelpunkt der Plenarsitzung „ÖGD meets GHUP“, die vom BVÖGD und der wissenschaftlichen Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) gemeinsam gestaltet wird.

„ÖGD meets STIKO“: Hier erwarten Sie interessante Diskussionen und neueste Entwicklungen rund ums Impfen mit führenden Experten aus der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut.

Neben Fragen der Prävention und Gesundheitsvorsorge werden auch die Krankenhaushygiene und die infektionshygienische Überwachung von Gesundheitseinrichtungen durch die Gesundheitsämter bei Vorträgen und Workshops in Magdeburg eine wichtige Rolle spielen.

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Presse

Die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besetzung von Facharztstellen in den öffentlichen Verwaltungen waren Anlass für Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, sich mit einem Schreiben an Landräte und Oberbürgermeister zu wenden. Ziel des Schreibens ist es, auf den verstärkten Fachkräftebedarf und auf die unterschiedliche Einkommensentwicklung bei Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern und beim Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) hinzuweisen.

„Neben den allgemeinen Engpässen bei Fachkräften und insbesondere Ärzten auf dem Arbeitsmarkt infolge des demografischen Wandels sind die Ursachen dafür insbesondere im verstärkten Fachkräftebedarf der Krankenhäuser aufgrund veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen für die Dienstplanung und in der unterschiedlichen Entwicklung der Entgeltstrukturen bei den öffentlichen Verwaltungen und Krankenhäusern zu sehen“, heißt es in dem Brief. Dem Schreiben vorausgegangen war ein Treffen zwischen Tack als Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz der Länder und Jakobs als Vorsitzendem des Gruppenausschusses Verwaltung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) im Dezember 2013.

„Wir appellieren an Landräte und Oberbürgermeister, von der Möglichkeit von Gehaltszulagen Gebrauch zu machen, um Fachärztinnen und Fachärzte für den ÖGD zu gewinnen und zu halten“, sagte Jakobs und verweist auf die entsprechende Arbeitgeberrichtlinie der VKA. Die Richtlinie gilt, bis neue tarifliche Bezahlungs- oder Eingruppierungsregelungen für Fachärzte im ÖGD in Kraft treten, längsten jedoch bis Ende 2014. […]

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Presse

Herr Prof. Kurth ist am 2. Februar 2014 verstorben. Er hat sich als Virologe und Mediziner in besonderer Weise um die Ausgestaltung und Zukunftsfähigkeit des Öffentlichen Gesundheitswesens verdient gemacht.
Er wurde vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes 2009 mit der Johann-Peter-Frank-Medaille ausgezeichnet. Unsere tiefe Anteilnahme gilt seiner Frau und seiner Familie.

Zur gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit, des Robert Koch-Instituts, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts

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Presse

Gemeinsame Presserklärung des Landesverbandes der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (LVÖGD-Hamburg) und des dbb Hamburg

In den 7 Hamburger Gesundheitsämtern sind derzeit 9 Facharztstellen länger als 6 Monate unbesetzt. Dies ergab eine Umfrage, die der Landesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (LVÖGD) durchgeführt hat. In den bundesweit rund 400 Gesundheitsämtern sind mehr als 200 Facharztstellen länger als 6 Monate unbesetzt. Dies ergab eine Umfrage, die der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) in Zusammenarbeit mit dem Marburger Bund in den 378 deutschen Gesundheitsämtern durchgeführt hat. Ärztinnen und Ärzte aus 186 Gesundheitsämtern (49,2%) beteiligten sich an der Umfrage im vergangenen Jahr.

Hauptursache für den dramatischen Ärztemangel in den Gesundheitsämtern ist die deutlich niedrigere Bezahlung der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern. Ein „normaler“ Arzt im ersten Jahr verdient im Öffentlichen Gesundheitsdienst über 850,– € pro Monat weniger als sein Kollege in einem kommunalen Krankenhaus. Zwar nähern sich die Gehälter mit zunehmender Beschäftigungsdauer an; es bleibt aber selbst in der letzten Erfahrungsstufe ein Unterschied von über 500,– € mtl. Bei steigender Qualifizierung (z.B. Fachärzte) werden die Unterschiede umso höher; hier sind mtl. Einkommensunterschiede von mehr als 1000,– € mtl. keine Seltenheit. Die unterschiedlichen Wochenarbeitsstunden (Krankenhausärzte = 42 Std. wö./ öffentlichen Gesundheitsdienst = 39 Std. wö.) machen sich nur marginal bemerkbar. Selbst bei Berücksichtigung dieser Werte, bleibt es im durchschnittlichen Quervergleich zwischen Krankenhausärzten und dem öffentlichen Gesundheitsdienst in der Gesamtbetrachtung bei Einkommensunterschieden von zumindest 700,– € mtl.

Grund dafür sind die unterschiedlich anzuwendenden Tarifverträge. So werden die Ärzte in den Krankenhäusern nach dem TV Krankenhäuser (TV Kr), die Ärzte im öffentlichen Dienst nach dem allgemein geltenden TV Länder (TV –L-) bezahlt.

„Diese Situation bereitet uns große Sorgen. Um zukünftige Grippewellen oder Infektionsausbrüche sowie andere Gesundheitskrisen wirksam zu bekämpfen, brauchen wir einen funktionsfähigen Öffentlichen Gesundheitsdienst“, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes der Ärzte im ÖGD, Dr. Johannes Nießen.

Der Umfrage zufolge greifen die bisherigen Ansätze, Fachärztinnen und Fachärzte für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu gewinnen, zu kurz. Nur wenige Ärzte in Gesundheitsämtern erhalten außertarifliche Sonderregelungen. Oft können Stellen nicht oder nur nach mehrfachen Ausschreibungen qualifiziert besetzt werden.

„Die 86. Gesundheitsministerkonferenz am 26./27. Juni 2013 in Potsdam forderte ebenso eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Passiert ist quasi nichts. Die Tätigkeit von Ärzten im Öffentlichen Gesundheitsdienst ist ebenso wie die anderer Ärzte von hoher Verantwortung geprägt. Es wird häufig außer Acht gelassen, dass ohne den Öffentlichen Gesundheitsdienst die medizinische Betreuung sozial benachteiligter, psychisch kranker und wohnungsloser Menschen ins Schleudern geriete. Die Wertschätzung für diese gesellschaftlich so bedeutsame Aufgabe muss sich endlich auch materiell in angemessenen Tarifen für die Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst niederschlagen“, fordert der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes in Hamburg Rudolf Klüver.

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Presse

Kein Lob, sondern scharfe Kritik: Die Ländergesundheitsminister und die Amtsärzte gehen mit dem Präventionsgesetz von Minister Bahr hart ins Gericht.

Die Ländergesundheitsminister haben das geplante Präventionsgesetz der Bundesregierung scharf kritisiert und mit einer Ablehnung im Bundesrat gedroht. „Das Gesetz reicht nicht aus“, sagte Anita Tack (Linke) beim Kongress des Bundesverbands der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD) in Berlin. Die brandenburgische Gesundheitsministerin sitzt derzeit der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vor. Tacks deutliche Worte: „Wenn das Gesetz so kommt, wie jetzt geplant, wird es nicht erfolgreich sein.“

Mit Blick auf ihre rot-rot-grüne Mehrheit im Bundesrat, bauen die Länder momentan Druck auf die Bundesregierung auf. Aus SPD -Kreisen war bereits Ende Januar bekannt geworden, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat genutzt werden sollen, um das Präventionsgesetz zu stoppen. Das Gesetz ist zwar im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, die SPD -Ländermehrheit könnte jedoch den Vermittlungsausschuss anrufen. Der Gesundheitsausschuss fällte ein vernichtendes Urteil über das Präventionsgesetz. […]

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Presse

Mit Feintypisierung der Erreger lassen sich echte von falschen Epidemien unterscheiden

Über 4000 Menschen erkranken jährlich an TB. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Aber es gibt auch Überdiagnostik. Helfen soll das Fingerprinting.

Dass sich mit einer besonderen TB-Diagnostik sogar Geld im Gesundheitswesen sparen lässt, demonstrierte Professor Roland Diel beim 63. Kongress des Bundesverbands der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD) in Berlin. Der Epidemiologe von der Carl-Albrechts-Universität in Kiel zeigte, wie sich mit dem genetischen Fingerprinting bei der Erregerdiagnostik Ausbruchsketten viel leichter aufklären und teure Überdiagnostikund unnötige Therapien vermeidenlassen. Am Hamburger Gesundheitsamt wird das TB-Fingerprinting bereits seit 1997 durchgeführt – mit Erfolg. Seitdem haben die Amtsärzte in der Hansestadt in 90 Prozent aller TB-Fälle einen genetischen Fingerabdruck genommen, immerhin bei rund 2200 Patienten.

Dazu wird mittels eines Restriktionsenzyms das Gensegment IS6110 aus dem Genom des Erregers Mycobacterium tuberculosis geschnitten und die Banden anschließend per Gelelektrophorese sichtbar gemacht. Die Erregerstämme zweier Patienten können so auf verhältnismäßig einfache Weise verglichen werden – und so echte von falschen Epidemien unterschieden werden.

Laut Diel kostet ein Fingerabdruck, den das Nationale Referenzzentrum erstellt, rund 50 Euro. Dem gegenüber stehen die Kosten für einen Tuberkulose-Fall: 8326 Euro im Jahr (Therapiekosten, Arbeitsausfall, Maßnahmen des Gesundheitsdienstes). Beispiele für mögliche Einsparungen demonstrierte Diel anhand eines Ausbruchs in Hamburg, an dem 1997 bis 2002 über 60 Personen erkrankt waren. Dutzende weitere Patienten wurden gescreent, weil die Behörde damals von einem Zusammenhang bei den Infektionen ausging. Als nachträglich von den Isolaten ein Fingerabdruck genommen wurde, war klar, dass es sich um drei getrennte Cluster handelte.
Hätten die Fingerabdrücke schon vorher vorgelegen, wären viel weniger Menschen gescreent worden. Diel sprach von 86 Personen, die damals unnötig untersucht worden waren (Kosten: 12 556 Euro). Auch lassen sich Röntgenzahlen senken. Denn wer nicht unter TB-Verdacht steht, muss auch nicht geröntgt werden. Nach Angaben von Diel wurden auf diese Weise seit Einführung des TB-Fingerprintings in Hamburg bereits 118 000 Euro gespart, die ohne diese Diagnostik für Röntgen ausgegeben worden wären (rund 47 Euro pro Patient).
Quelle: Ärztezeitung
Denis Nössler
(16.04.2013)

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Stellungnahme

(31.01.2013) Aus unserer Sicht handelt es sich bei dem vorliegenden Referentenentwurf nicht um ein umfassendes Gesetz zur Förderung der Prävention, sondern um die Neuformulierung und Ergänzung bestehender Rechtsvorschriften (§ 20ff., § 23, § 25, § 26, § 65a SGB V) zur gesetzlichen Krankenversicherung.

1. Inhaltliche Anmerkungen:

Zu A. Problem und Ziel
Durch eine zielgerichtete Ausgestaltung der GKV-Leistungen zur Primärprävention und zur Früherkennung –in der vorgeschlagenen Form – werden die Entwicklung und der Ausbau gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen nur partiell und in unzureichender Weise gestärkt. Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Entstehung und Veränderung von Gesundheitsverhalten belegen seit mehr als zwei Jahrzehnten, dass gesundheitsförderliches Verhalten von vielen kognitiven, emotionalen und sozialen Faktoren sowie Umweltbedingungen abhängt.

Zu B. Lösung
Die Lösung etwa sozial bedingter ungleicher Gesundheitschancen im Wesentlichen in der „Förderung der Verantwortung der Menschen, der Selbstverwaltung und der Unternehmen“ zu sehen, halten wir für fragwürdig. Gesundheit aufrecht zu erhalten und zu stärken, das Fortschreiten chronisch-degenerativer Erkrankungen einzudämmen und ein gesundes, selbstbestimmtes und erfülltes Älterwerden erreicht man nicht dadurch, dass in erster Linie an die Eigenverantwortlichkeit appelliert wird.

Die soziale Schere, die gemessen am Einkommen zu einem Unterschied von bis zu 10 Jahren in der Lebenserwartung zwischen dem Fünftel der deutschen Bevölkerung
mit dem niedrigsten und dem Fünftel der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen führt, lässt sich nur durch gesamtgesellschaftliche Veränderungen beeinflussen. Inwieweit die Stärkung der Verantwortung der Selbstverwaltung, hier wohl in erster Linie des Spitzenverbandes Bund, und die Stärkung der Verantwortung der Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung einen nennenswerten Beitrag leisten sollen, bleibt offen.

2. Zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
Zu § 20 Primäre Prävention
Zu (1) Eine systematische Evaluation der GKV-Leistungen zur Verminderung sozial bedingter ungleicher Gesundheitschancen steht bisher aus. Eine konkrete Verminderung sozial bedingter ungleicher Gesundheitschancen kann für die letzten Jahre nicht festgestellt werden. Vielmehr ist ein Wachsen der Kluft zu konstatieren. Die GKV-Leistungen zur Primärprävention müssen zwingend extern wissenschaftlich in regelmäßigen Abständen nach objektiven Kriterien unter Verwendung bereits etablierter Instrumente evaluiert werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dieser Paragraph fortgeschrieben und die Zuständigkeit in unveränderter Weise bei der GKV verbleibt, obwohl weder die Qualitätssicherung systematisch erfolgt ist noch eine wissenschaftliche Evaluation unter Berücksichtigung der anvisierten Ziele geplant ist.

Zu (2) Unmittelbar an den vorangegangenen Punkt schließt sich der folgende an. Als Vorgehensweise ist es vielleicht in sehr kleinen Einrichtungen denkbar, eine Selbstevaluation durchzuführen. Es ist jedoch bedenklich, dass hier der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Festlegung der Kriterien der GKV-Leistungen hinsichtlich Bedarf, Zielgruppen, Zugangswegen, Inhalten, Methodik, Qualität, wissenschaftlicher Evaluation und Zielerreichung betraut werden soll. Es gibt bereits verschiedene Qualitätssicherungsinstrumente in Deutschland, so dass in Frage zu stellen ist, warum es bisher nicht zu einer systematischen Qualitätssicherung gekommen ist. Wir schlagen daher vor, sowohl die wissenschaftliche Evaluation als auch die Zertifizierung durch externe Einrichtungen vorzunehmen zu lassen.

Zu (3) Wenn ab Inkrafttreten der Änderungen dieser Neuregelungen die Krankenkassen Leistungen zur individuellen Verhaltensprävention erbringen können, sofern diese zertifiziert sind, stellt sich die Frage, ab wann Zertifizierungen in welchem Umfang und von wem vorgenommen werden und mit welchen Mitteln diese finanziert werden. Wir empfehlen hier eine Konkretisierung vor zu nehmen.

Zu (5) Die BZgA soll Leistungen zur primären Prävention in Kindertageseinrichtungen, Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen und Lebenswelten älterer Menschen durchführen.

Zunächst sind durch diese Aufzählung bereits unterschiedliche Interessen, die nicht
in die unmittelbare Zuständigkeit des Bundes fallen, berührt. Kindertageseinrichtungen, Kindergärten, Schulen und Jugendeinrichtungen unterstehen dem Kultus-respektive Jugendministerium eines Bundeslandes. Nachhaltige Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten können nicht zentral aufgebaut werden, sondern müssen spezifisch regionalen Gegebenheiten angepasstwerden. Hierfür gibt es bisher flächendeckend keine etablierten Strukturen der BZgA.

Hingegen ist der öffentliche Gesundheitsdienst bundesweit kommunal aufgestellt, als
Akteur vor Ort bekannt und verfügt aufgrund langjähriger Erfahrung über Zugangswege insbesondere zu vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Prävention und Gesundheitsförderung sind zudem in den Gesundheitsdienstgesetzen der Länder verankert und damit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst angeschlossen. Der Einsatz der Mittel Quartiersbezogen in die bestehenden Strukturen vor Ort ist aus unserer Sicht zielführender und in der Effektivität in Studien belegt. Zumindest erscheint eine enge Verzahnung von Aktivitäten der BZGA mit den zuständigen Einrichtungen der Länder und Aktivitäten der Gesundheitsämter vor Ort angezeigt. Dies sollte in der pauschalen Vergütung auch Berücksichtigung finden.Wir halten es für bedenklich, dass ein gesamtgesellschaftliches Problem (sozial bedingt ungleiches Morbiditäts-und Mortalitätsgeschehen) nur mit Mitteln der GKV bewältigt werden soll und nicht alle relevante Akteure einbezogen respektive Steuermittel hierzu verwendet werden. Die PKV bleibt unberührt; sie kann sich dem Ganzen anschließen, muss es aber nicht.

Zu § 20e Ständige Präventionskonferenz; Bericht über die Entwicklung von Gesundheitsförderung und Prävention Der Referentenentwurf lässt offen, welche „Vertreter der für Gesundheitsförderung und Prävention maßgeblichen Organisationen und Verbände“ der Ständigen Präventionskonferenz angehören sollen. Hier ist unbedingt darauf zu achten, dass kein redundantes Gremium eingerichtet wird. Die Arbeitsfähigkeit und die Expertise der Mitglieder der Ständigen Präventionskonferenz sollten maßgeblich im Vordergrund stehen. Bei der Berufung der Akteure sollten der Öffentliche Gesundheitsdienst aber auch die Bundesärztekammer unbedingt einbezogen werden.
3. Zur Begründung, A. Allgemeiner Teil Abschließend möchten wir zu einzelnen Aspekten aus dem allgemeinen Teil der Begründung fachliche Themenschwerpunkte und Anregungen geben.

Die zentrale Aussage „Gesundheit wird maßgeblich durch eine gesunde Lebensführung erhalten“ (S. 10) halten wir für relativierbar. Ein mindestens ebenso gewichtiger Faktor ist die soziale Lage, die z.B. durch gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten (z.B. schwere körperliche Arbeit, Umgang mit Gefahrenstoffen) oder durch prekäre Lebensumstände charakterisiert sein kann. Hier werden gesellschaftlich zustande gekommene Risiken individualisiert. In diesem Zusammenhang ist auf die GEDA-Studie des Robert Koch-Instituts zu verweisen.

Danach nimmt problematischer Alkoholkonsum mit dem Sozialstatus zu (bei Männern und bei Frauen), gleichwohl haben statushohe Personen eine deutlich höhere Lebenserwartung. Neben unbestritten vorhandenen individuellen Verhaltensweisen spielen demnach andere Risikofaktoren eine bedeutende Rolle.

Es bleibt unklar, wie das Ziel, „das Wissen, die Befähigung und die Motivation der Bevölkerung zu gesundheitsbewusstem Verhalten in allen Lebensphasen zu stärken und damit gesundheitliche Risiken zu reduzieren“ erreicht werden soll. Die aufgeführten Rahmenbedingungen sind pauschal, so dass nicht klar wird, wie insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen besser erreicht werden können. Die Verantwortung für die Umsetzung wird hier auf die Selbstverwaltung und die BZgA übertragen. Gesundheit wird offensichtlich einzig und allein als vom Gesundheitssystem abhängige Variable betrachtet. Das widerspricht allen (sozial-) epidemiologischen, gesundheitswissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte.

Die Benennung der Zielgruppen ist stereotyp und undifferenziert: Kinder/Jugendliche, ältere Menschen und Migrant/inn/en. Migrant/inn/en sind nicht per se eine vulnerable Bevölkerungsgruppe. Hier ist wohl in erster Linie auf schlecht integrierte Zuwanderer und Sans-Papiers abzuheben.

Die Erreichbarkeit vulnerabler Zielgruppen wird ebenfalls nicht konkretisiert. Das
bestehende Problem, dass die Präventionsangebote der GKV in der Vergangenheit weit überwiegend Frauen (75%) erreichten, wird nicht angesprochen. Im Sinne des Gender Mainstreaming besteht hier eindeutig Handlungsbedarf. Wenn ausgesagt wird, dass die Präventionskurse nicht immer die Menschen erreichen, die einen Bedarf für Leistungen zur Prävention haben, dann ist zu hinterfragen, warum diese Angebotsstruktur dennoch fortgeführt werden soll. Die jährlichen Präventionsberichte der GKV sollten zunächst hinsichtlich des Zielerreichungsgrades analysiert und problematisiert werden, bevor Schlüsse auf die Fortführung bestehender Angebote gezogen werden.

Es wird die Erwartung formuliert, dass „durch Bündelung der Mittel insbesondere die
mediale Durchschlagskraft deutlich erhöht wird“ (S.12), um die Voraussetzungen zur
Erreichbarkeit sozial benachteiligter Gruppen, wie Menschen mit Migrationshintergrund oder niedrigem Bildungsstand, zu verbessern. Damit ist impliziert, dass durch erhöhte mediale Präsenz sozial bedingte ungleiche Gesundheitschancen vermindert werden können. Hier sollte unter Bezugnahme auf die große AIDS-Kampagne der BZgA reflektiert werden, dass ganz offensichtlich junge schlecht integrierte Zuwanderer nicht oder nur schlecht erreicht worden sind.

Zu bedenken ist auch der hohe Anteil funktionaler Analphabet/inn/en in der Bevölkerung Deutschlands. Dieser Anteil beträgt mehr als 14% der erwerbsfähigen Bevölkerung, entsprechend 7,5 Mio. Menschen. Mittels ärztlicher Präventionsempfehlung sollen die Kursangebote der GKV gezielt diejenigen Menschen erreichen, die sie benötigen (S.12). Diese Annahme setzt voraus, dass die Inanspruchnahme der primärpräventiven Gesundheitsuntersuchung auch tatsächlich und insbesondere durch vulnerable Bevölkerungsgruppen erfolgt.

Ergebnisse der Versorgungsforschung belegen, dass dies heute nicht der Fall ist, sondern der Gesundheits-Check up eher von Personen in Anspruch genommen wird, die ohnehin motiviert sind, ihre Gesundheit aufrecht zu erhalten. Allerdings ist die Einführung eines Bonusprinzips (S.12) letztlich die Möglichkeit bei nicht gesundheitsförderlichem eigenverantwortlichem Verhalten zu sanktionieren, mit anderen Worten: Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, Sanktionen gegenüber bildungsfernen und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen auszuüben. Hinzu kommt, dass die Boni vorrangig am Erfolg der Maßnahmen auszurichten sind. Wer definiert und evaluiert die Erfolgskriterien? Wer überprüft die Erfolgskriterien hinsichtlich ihrer Kompatibilität zur Maßnahme? Inwiefern wird die Nachhaltigkeit einer Maßnahme eine Rolle spielen?

Fazit:

Bereits vorhandene, funktionierende Strukturen vor Ort wie der Öffentliche Gesundheitsdienst, der jahrelange Erfahrung und den Zugang zu vulnerablen Bevölkerungsgruppen hat, sollten stärker gefördert und genutzt werden. Dafür müssen auch in den Gesundheitsämtern vor Ort finanzielle Mittel zur nalaufstockungvorgesehen werden.Hervorzuheben ist die Bedeutung von portvereinen, die ein überaus geeignetes Setting sind, um Kinder und Jugendliche zu erreichen. So sind über 80% der 7-bis 14-jährigen Jungen Mitglied in einem Sportverein. Neben Prävention (sportliche Aktivitäten) leisten die Vereine nicht zu unterschätzende Beiträge zur sozialen Integration.

Systeme zur Qualitätssicherung sind durchgängig zu etablieren und regelmäßig extern zu evaluieren.Bei der Aufgabenzuweisung an die Akteure ist darauf zu achten, dass hier nicht ausschließlich Zuständigkeiten auch in Form zusätzlicher Bürokratien auf Bundesebene geschaffen werden und den Zuständigkeiten in Ländern und Kommunen Rechnung getragen wird.

Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich um einen klassischen Top-Down-Ansatz, der zentrale Prinzipien der Gesundheitsförderung, die schon in der Ottawa-Charta benannt wurden, wie Empowerment und Partizipation, außer Acht lässt.Hingegen besteht die Notwendigkeit, ein eigenständiges Gesetz zur medizinischen und nicht-medizinischen Prävention und Gesundheitsförderung unter Einbeziehung aller relevanten Akteure in die Finanzierung zu schaffen.

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Presse

Die bisherige Praxis, wie sich angestellte Ärzte, Zahnärzte und andere Freiberufler von der Rentenversicherungspflicht zugunsten eines Versorgungswerks befreien lassen können, wurde in entscheidenden Punkten geändert.

Für die verkammerten freien Berufe gilt seit dem 31. Oktober 2012 ein geändertes Befreiungsrecht in Bezug auf die Rentenversicherungspflicht. Dies geht auf drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) zurück (Az.: B 12 R 3/11 R; B 12 R 5/10 R und B12 R 8/10 R), die Ende April veröffentlicht wurden. Die Auswirkungen der Urteile für Ärzte, Zahnärzte und andere Angehörige der freien Berufe sind erheblich: Die bisherige Praxis, wie sich angestellte Ärzte, Zahnärzte und andere Freiberufler von der Rentenversicherungspflicht zugunsten eines Versorgungswerks befreien lassen können, wurde in entscheidenden Punkten geändert. […]

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Stellungnahme

(Stand 12.06.2012) Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hat folgende Anmerkungen bzw. Anregungen zum Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung

Eine erneute Novellierung mit Korrektur der am 01. November 2011 in Kraft getretenen Neufassung der Trinkwasserverordnung ist aus der Sicht des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes dort sinnvoll, wo die neue Trinkwasserverordnung zusätzliche personalintensive und bürgerbelastende, bürokratische Hürden eingebaut hat, die in keinem Verhältnis zum Nutzen für den Gesundheits- und Verbraucherschutz stehen.
Die höheren Anforderungen der neuen Trinkwasserverordnung sind mit einem personellen Mehraufwand für die Gesundheitsämter verbunden.
Eine Aufstockung des Personals der Gesundheitsämter – nicht nur vorübergehend sondern auf Dauer – ist notwendig. Insbesondere müssen allen Gesundheitsämtern in ausreichendem Maße Fachpersonal für Hygiene und Technik – Gesundheitsingenieure und Hygieneinspektoren (Gesundheitsaufseher ) – zu Verfügung stehen, um die geforderten und erforderlichen Kontrollen der Trinkwasserversorgungsanlagen und Trinkwasser-Hausinstallationen wirkungsvoll am Gesundheits- und Verbraucherschutz orientiert durchzuführen.

Der BVÖGD ist zu folgendem gemittelten personellen Mehraufwand für die Gesundheitsämter gekommen:
Der gemittelte dauerhafte jährliche personelle Mehraufwand wurde mit einer Stunde und 10 Minuten je angezeigter Großanlage berechnet. In diese Berechnung geht die Büro-Registrierung und Überwachung mit 10 Minuten und der bei ca 25% der Anlagen durch Überschreitung des Technischen Maßnahmenwertes zu

erwartende Zeitaufwand für Ermittlungen, Besichtigungen, Anordnungen und Kontrollen mit 4 Stunden ein – das heißt der Personalaufwand der Gesundheitsämter durch Beanstandungen beträgt gemittelt 1 Stunde pro Großanlage und Jahr.

Zu den Regelungen im einzelnen haben wir folgende Anmerkungen:

a) § 3
Im Entwurf des BMG vom 12.06.2012 wird die Klarstellung zu „Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“ durch anfügen der Nummer 12 in § 3 begrüßt.

Wasserversorgungsanlagen nach § 3 Abs. 1 Nummer 2 Buchstabe b der neuen Trinkwasser-Verordnung entsprechen in den wenigsten Fällen dem dafür gewählten Verordnungsbegriff „dezentrale kleine Wasserwerke“. Auch alle Kleinanlagen aus denen Wasser an Dritte abgegeben wird ( § 3 Nummer 2 Buchstabe b der alten TrinkwV 2001 ), fallen unter diesen Begriff der kleineren Wasserwerke und unterliegen somit einer regelmäßigen und umfangreichen Untersuchungspflicht nach Anlage 4 der neuen Trinkwasserverordnung
Durch den Entwurf des BMG vom 12.06.2012 erfolgt für die Wasserversorgungsanlagen nach Buchstabe „b“ eine Klarstellung der Abgrenzung zu großen Wasserversorgern des Buchstaben „a“ einerseits und kleinen Eigenversorgern des Buchstaben „c“ andererseits. Mit dieser Klarstellung ist aber auch eine Verschärfung für Kleingewerbetreibende verbunden, der schon mit einem Mitarbeiter die Pflichten eines dezentralen kleinen Wasserwerkes aufgebürdet bekommt.

b) §§ 4, 7, 9
Nicht nachvollziehbar sind aus unserer Sicht die beabsichtigten Änderungen der §§ 4, 7 und 9. Das betrifft die Abstufung des technischen Maßnahmenwert für Legionella spec. gegenüber den anderen Indikatorparameter. Er soll nicht mehr zu den Anforderungen des § 4 Abs.3 und des § 7 Abs.1 Satz 1 gehören. Hier kann genauso wie bei den anderen Parametern das Gesundheitsamt nach Prüfung des Einzelfalles Duldungen für einen gewissen Zeitraum festlegen.
Das gleiche gilt für die beabsichtigte Änderung des § 9 Abs.8. Die nicht mehr zwingend vom Gesundheitsamt durchzuführende Ortsbesichtigung bei Überschreitung des

technischen Maßnahmenwertes für Legionella spec. ist zwar Personal-Ressourcen sparend, aber für die Ursachensuche nicht wirklich zielführend.

c) § 10
Die vorgesehenen Änderungen zu § 10 Abs. 5 und 6 und den damit verbundenen Meldungen an das BMG über die Zulassung von Untersuchungsparametern- Überschreitungen auch bei kleinen Wasserversorgungsanlagen sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Es sollen Wege für die kleinen Wasserversorger gefunden werden die Ausnahmeregelungen abschließend auf Länderebene zu klären und zu registrieren.

d) § 13
Die im BMG-Entwurf vom 12.06.2012 vorgesehene Aufhebung der Anzeigepflicht von bestehenden, noch nicht vom Gesundheitsamt erfassten Großanlagen, durch Streichung des § 13 Abs.5 stellt keine wirkliche personelle Erleichterung für die Gesundheitsämter dar, da eine Untersuchungspflicht auch für die noch nicht beim Gesundheitsamt erfassten Großanlagen besteht und bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes sowohl die Registrierung als auch die Regelung und Kontrolle der Beanstandung beim Gesundheitsamt personell zu Buche schlägt.
Durch die beabsichtigte Streichung des § 13 Abs.5 ergibt sich aus unserer Sicht die dringende Einführung einer direktenLabormeldepflicht an die Gesundheitsämter.

e) § 14
Bisher konnte das Gesundheitsamt bei Kleinanlagen mit weniger als drei Kubikmeter Trinkwasser pro Tag Umfang und Häufigkeit der Trinkwasseruntersuchungen nach § 19 Abs. 6 der alten TrinkwV 2001 selbst festlegen.
Hier erscheint eine erneute Flexibilisierung angezeigt, und zwar durch eine Herausnahme der Wasserversorgungsanlagen nach § 3 Nummer 2 Buchstabe b aus der starren Untersuchungspflicht nach Anlage 4 und Festsetzung eines dem Einzelfall in Untersuchungsumfang und Häufigkeit angepassten Untersuchungsschema durch das zuständige Gesundheitsamt.
Wir schlagen daher vor, im § 14 Abs.2 vierter Satz nach „§ 3 Nummer 2 Buchstabe“
„b und „ einzufügen.

f) § 16
Der Entwurf des BMG vom 12.06.2012 will die Ortsbegehungen in die Betreiberpflichten verlagern, indem nach § 16 Abs.7 die Inhaber von Wasserversorgungsanlagen nach § 3 Nummer 2 Buchstabe d und e verpflichtet sind, bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes nach Anlage 3 Teil II eine unverzügliche Aufklärung der Ursachen mit Ortsbesichtigung, Prüfung der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und Beauftragung einer Gefährdungsanalyse, durchzuführen beziehungsweise durchführen zu lassen.
Die sich daraus ergebenden erforderlichen Maßnahmen hat der Inhaber der Wasserversorgungsanlage nach § 16 Abs.7 Satz 1 Nummer 3 des BMG-Entwurfes vom 12.Juni auf Grundlage der Empfehlungen des Umweltbundesamtes und der allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführen. Eine unmittelbare Kontrolle der Maßnahmen durch das Gesundheitsamt ist im BMG-Entwurf des § 16 Abs.7 leider nicht vorgesehen.

g) § 19
Der bürokratische Aufwand der neuen Trinkwasserverordnung nach §19 Abs. 3 (Beauftragung einer Untersuchungsstelle für die amtliche Untersuchung ) steht in keinem Verhältnis zum Nutzen für das Schutzziel Trinkwassergüte.
Wir sehen einen Widerspruch, in dem öffentlichen und privaten Wasserversorgern im Rahmen der Gesundheitsamts-Prüfungen ein separates Untersuchungsinstitut in § 19 Abs.3 vorgeschrieben wird, gleichzeitig jedoch im § 23 für die Eisenbahnen des Bundes eine Befreiung von dieser Verpflichtung erteilt wird.

Auch Landesämter für Gesundheit und Verbraucherschutz sprechen sich mit eingehender Begründung für eine Rückkehr zu der in den letzten 10 Jahren eingeführten und bewährten Regelung des § 19 Abs.2 der alten TrinkwV2001 mit den nach Länderrecht geregelten „Bestellten Stellen“ aus.

Die Überwachung von Kleinanlagen zur Eigenversorgung ( § 3 Nummer 2 Buchstabe c der neuen Trinkwasserverordnung ) durch das zuständige Gesundheitsamt nach § 19 muss den örtlichen Erfordernissen und den personellen Kapazitäten des Gesundheitsamtes angepasst werden. Gesundheitsämter die mehrere Tausend Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nummer 2 Buchstabe c zu überwachen haben, können nicht alle Anlagen in drei Jahren prüfen.

Wir regen daher an in § 19 Abs.5 Satz 3 zu streichen
„Der Zeitraum zwischen den Überwachungen darf drei Jahre nicht überschreiten“.

Zusammenfassend möchten wir noch folgende Ergänzungen anfügen:

h ) Anzeige- und Befundübermittlung
Die Anzeige- und Befundübermittlungspflichten wie sie zurzeit in der neuen Trinkwasserverordnung festgeschrieben wurden, dienen zwar für eine umfassende Gesundheitsberichterstattung und Problemdarstellung, stellen aber eine unverhältnismäßig hohe zeitliche Belastung des Verwaltungs- und Fachpersonals der Gesundheitsämter dar.
Es soll deshalb auch geprüft werden, inwieweit die Weiterentwicklung elektronischer Befundübermittlung und Befundverarbeitung hier Abhilfe schaffen kann.

i) Labormeldepflicht
Auch wird die Einführung einer Labormeldepflicht bei der Überschreitung von Grenz- und Maßnahmenwerten als notwendig angesehen und wäre geeignet, die unverzügliche Erfassung von zu beanstandenden Befunden durch die Gesundheitsämter zu erleichtern. In der Praxis des Infektionsschutzgesetzes haben sich Labormeldepflichten grundsätzlich sehr bewährt.

j) Hausinstallationen
Durch die beabsichtigten Änderungen der §§ 4, 7, 9 und 16 wird die Arbeit der Gesundheitsämter hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Sanierungsmaßnahmen in der Hausinstallation sehr erschwert, da nach dem BMG-Entwurf vom 12.06.2012 keine unmittelbare Meldepflicht der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes mehr bestehen soll, und so die für den Betreiber auch als Hilfe zu verstehende Expertise und Maßnahmenanordnung nach § 9 Abs.5 Trinkwasserverordnung durch das zuständige Gesundheitsamt erst beim behördlichen Bekanntwerden der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes zum Tragen kommt. Kenntnis kann das Gesundheitsamt von der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes erhalten, wenn der Inhaber der Wasserversorgungsanlage gemäß § 16 Abs.7 Satz 4 des BMG-Entwurfes vom 12.Juni den Verbraucher über das Ergebnis der Gefährdungsanalyse und sich daraus ergebenden möglichen Einschränkungen der Verwendung des Trinkwassers informiert und der Trinkwasser-Kunde sich an das Gesundheitsamt wendet. Ansonsten nur zufällig, bei stichprobenartigen Kontrollen im Rahmen des Überwachungsprogrammes durch das Gesundheitsamt nach § 19 Abs.7 Trinkwasserverordnung, durch Akten- und Befundanforderungen nach § 16 Abs.7 Satz 3 des BMG-Entwurfes vom 12.Juni oder durch Fremd- / Eigen-Anzeige ( Hilfeersuchen an das Gesundheitsamt ) bei Schwierigkeiten oder Verzögerungen bei der Erfüllung der Inhaberpflichten nach § 16 Abs.7.

Wir halten es daher für erforderlich, das Gesundheitsamt in der Trinkwasserverordnung so zu verankern, dass es frühzeitig bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen in der Hausinstallation mit eingebunden wird. So kann auch ein doppelter mit Mehrkosten für den Verbraucher verbundener Aufwand vermieden werden.

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Stellungnahme

Referentenentwurf des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV-DG)

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hat folgende Anmerkungen bzw. Anregungen zum Referentenentwurf des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV-DG) im Stand vom 11.07.2011:

Prinzipiell ist festzuhalten, dass sich der vorliegende Referentenentwurf – dem Grundgedanken der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) folgend – vornehmlich auf übertragbare Krankheiten bezieht. Da jedoch in § 4 Absatz (1) neben dem Robert Koch-Institut (RKI) für den Bereich der übertragbaren Krankheiten auch Bundesbehörden für den Bereich chemischer und radioaktiver Gefahren aufgeführt sind, wäre zu erwarten, dass sich entsprechende Gefahrenzeichen und Symptome als Folge eines unerwarteten oder ungewöhnlichen Ereignisses die öffentliche Gesundheit betreffend (vgl. Artikel 7 IGV) ebenfalls in den Durchführungsregelungen finden. Dies ist jedoch – mit Ausnahme der angeführten Zuständigkeitsregelung – nicht der Fall. Folgerichtig müssten hier eine entsprechende Erweiterung erfolgen und auch die Form- sowie Meldeblätter entsprechend angepasst werden.

In der Umsetzung der IGV kommt den Behörden vor Ort eine zentrale Rolle zu. Hierbei handelt es sich sowohl im Bereich der übertragbaren als auch umweltassoziierten Krankheiten in der Regel um die Gesundheitsämter. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese eine effektive Ausübung ihrer Rolle nur wahrnehmen können, wenn dem sich bereits jetzt manifestierenden Nachwuchsmangel im ärztlichen Bereich entschieden entgegengewirkt wird und die für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Zeit bestehenden nachteiligen Tarifbedingungen deutlich verbessert werden.

Die zentrale Rolle der Gesundheitsämter (im Nachfolgenden allgemeiner als „nach Landesrecht zuständige Behörde“ bezeichnet) sollte auch bei den Durchführungsbestimmungen in Bezug auf Zuständigkeiten und Aufgaben deutlich gemacht werden. Bereits an dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass dies in den §§ 8 und 13 IGV-DG von Seiten des BVÖGD als notwendig erachtet wird.

Zuletzt möchten wir allgemein anmerken, dass der Referentenentwurf ohne die laut §§ 8 und 13 jeweils dem RKI zugeschriebene Empfehlung über die Kapazitäten nach Anlage 1 Teil B IGV an Flughäfen und Häfen leider nur unvollständig beurteilbar ist. Gleiches gilt für die Aussteigekarte gemäß § 12 Absatz (3), die aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Abstimmungsprozesses zwischen WHO und ICAO fehlt.

Zu den Regelungen im einzelnen haben wir folgende Anmerkungen: Artikel 1: Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften
a) § 5, Absätze (1) und (2): Es ist sehr zu begrüßen, dass in Absatz (1) Beförderer und Betreiber von Flughäfen, Häfen und Personenbahnhöfen als die Verantwortlichen benannt werden, die den Reisenden Informationen zu bestimmten Erkrankungen und Verhaltensempfehlungen zu geben haben. Das Gleiche gilt für die in Absatz (2) verankerte Aufgabe des Bundesministeriums für Gesundheit zur

Bestimmung über Inhalt und Form dieser Informationen im Einvernehmen mit den anderen Bundesbehörden. Der BVÖGD weist jedoch darauf hin, dass solche Informationen je nach Vorlauf des Eingangs von Meldungen gemäß §§ 11 und 16 im Verhältnis zur Landung bzw. zum Anlaufen evtl. sehr kurzfristig vorliegen müssen. Daher wäre es überlegenswert, auch dem zuständigen Gesundheitamt oder der zuständigen Landesbehörde die Möglichkeit zuzugestehen, ersatzweise eine Form von „Basisinformation“ zu erstellen und über die Beförderer und Betreiber an die Reisenden bis zum Vorliegen der endgültigen Informationsblätter verteilen zu lassen.

b) § 8 Absätze (2), (4) und (6): Die Gesundheitsbehörde vor Ort sollte in die Entscheidung der obersten Landesgesundheitsbehörde über die Auswahl von zusätzlichen Flughäfen mit Kapazitäten nach Anlage 1 Teil B IGV einbezogen werden (Absatz 2). Als Formulierung wird vorgeschlagen: „…im Benehmen mit der nach Landesrecht zuständigen Behörde…“. Gleiches gilt für die Festlegung der obersten Landesgesundheitsbehörde über Art und Umfang der Kapazitäten, die die Flughäfen vorzuhalten haben (Absatz 4). Als Begründung ist anzuführen, dass durch die Einbindung der zuständigen (Gesundheits-)Behörde (üblicherweise das Gesundheitsamt) vor Ort ein verlässlicheres Bild über die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen des Flughafens zum Umgang mit Gesundheitsgefahren gemäß Artikel 2 IGV gewonnen werden kann. Die besondere Kompetenz des Gesundheitsamtes in diesem Punkt ergibt sich aus der üblicherweise gemäß Landesrecht übertragenen Aufgabe der infektionshygienischen Überwachung von Flughäfen und Häfen. Darüber hinaus ist über die Einbindung der „nach Landesrecht zuständigen Behörde“ erwartbar, dass die Schaffung und Unterhaltung von entsprechenden Kapazitäten auch unter haushalterischen Gesichtspunkten verlässlich geplant und ausgeführt wird. Ferner entspricht diese Vorgehensweise besser dem Prinzip der Subsidiarität im Verwaltungshandeln

c) § 8 Absatz (5), letzter Satz: Im gleichen Sinne wie bereits ausgeführt sollte dieser Satz folgendermaßen ergänzt werden: „Der Betreiber hat die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach Satz 1 gegenüber der zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörde „und der nach Landesrecht zuständigen Behörde“ in geeigneter Form nachzuweisen.

d) § 8 Absatz (10), Satz 1: Im gleichen Sinne wie bereits ausgeführt sollte dieser Satz folgendermaßen ergänzt werden: Die oberste Landesgesundheitsbehörde überwacht die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Absätzen 5 und 9 „im Benehmen mit der nach Landesrecht zuständigen Behörde“.

e) § 8 Absatz (6), Satz 1: Sofern der in den vorangehenden Aufzählungspunkten angeführten Einbindung des Gesundheitsamtes nicht gefolgt wird, sollte zur Klärung der Zuständigkeit und zur Erzielung einer verwaltungsjuristisch korrekten Lösung an dieser Stelle festgelegt werden, dass die oberste Landesgesundheitsbehörde für die Schaffung und Unterhaltung der nach Absatz 4 festgelegten Kapazitäten verantwortlich ist.

f) § 11 Absatz (1): Aus fachlich-medizinischen Gründen wird empfohlen, die Liste der Symptome zu überprüfen und ggf. den Symptomen entsprechend nach Einwirken von chemischen oder radioaktiven Ereignissen anzupassen. Prinzipiell erscheint eine einheitlichte Liste für Symptome im Flug- und Schiffsverkehr sinnvoll. So sind z. B. die in § 16 angeführte Drüsenschwellung als Hinweis auf einen Kontakt zu Yersinia pestis (Bubonenpest mit der Möglichkeit zur Lungenaffektion und Tröpfchenübertragung) als auch die Lähmungserscheinungen, die als Symptom einer fäkal-oral übertragbaren Poliomyelitis-Infektion auftreten können, auch für den Flugverkehr als kritische Erkrankung anzusehen. Diese werden aber von den dort aufgeführten Symptomen nicht abgedeckt. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass unklare Begrifflichkeiten wie z. B. „anhaltendes“ Erbrechen für den medizinischen Laien und somit auch für Führer von Flugzeugen oder Schiffen schwierig zu beurteilen sind. Zum anderen sind Verläufe bei verschiedenen hochkontagiösen Infektionskrankheiten vorstellbar (z.B. Noroviren), die eher selten mit Fieber einher gehen. Diese Fallkonstellationenen sind somit gemäß IGV-DG nicht meldepflichtig, obwohl eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit eintreten kann.

g) § 12 Absatz (2): Die vorgesehen Regelung wird ausdrücklich begrüßt. Eine Entscheidung zur Ausgabe von Aussteigekarten muss unter Umständen innerhalb einer Stunde getroffen werden, z. B. wenn bei einem Passagier der Verdacht auf viral hämorrhagisches Fieber besteht. Diese Situation wird in Absatz 2 rechnung

getragen. Die zuständige Gesundheitsbehörde erhält damit eine notwendige Entscheidungsbefugnis.

h) § 12 Absatz (3): Das Muster der Aussteigekarte fehlt im Anhang. Der BVÖGD stimmt jedoch der Anmerkung in Anlage 1 nicht zu. Wir halten eine Aussteigekarte auch bei einem Misserfolg des Abstimmungsprozesses zwischen WHO und ICAO für notwendig. Wir regen in diesem Fall an, auf die an den Standorten von Großflughäfen und Häfen in den Gesundheitsämtern und zuständigen Landesbehörden sowie im RKI vorhandene Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit der Gefahrenabwehr zurückzugreifen und für Deutschland eine abgestimmte Fassung einer Aussteigekarte zu erarbeiten.

i) § 13, Absätze (2), (4), (6) und (10): Die bereits zu Abschnitt 2 Luftverkehr (§ 8) getroffenen Anregungen zur Einbindung der nach Landesrecht zuständigen Behörde in die von der obersten Landesgesundheitsbehörde potentiell zu treffenden Entscheidungen und Verantwortlichkeiten gelten hier analog.

j) § 16, Absatz (1): Wie bereits zu § 11 erwähnt, weichen die hier genannten Symptome, die Anlass für eine unverzügliche Meldung an die Hafenaufsicht geben sollen, von denen im Flugverkehr ab. Eine Prüfung auf Vereinheitlichung der Liste für Symptome im Flug- und Schiffsverkehr erscheint uns sinnvoll.

k) Auffällig und nach Ansicht des BVÖGD fehlend sind in der Folge des § 16 Regelungen zur Ermittlung von Kontaktpersonen. Im Abschnitt 2 des Referentenentwurfes (§§ 8 -12) werden zum Flugverkehr entsprechende Vorgaben in § 12 unter Berufung auf Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe a IGV gemacht. Diese IGV-Grundlage kennt jedoch keinen Unterschied zwischen Flug- und See- bzw. Binnenschiffahrtsverkehr. Bei See- und Binnenschiffen besteht aber die gleiche Problematik hinsichtlich der Erreichbarkeit von Kontaktpersonen nach dem Verlassen der Beförderungsmittel. Mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Inkubationszeiten (Tage bis Wochen) bei einer Infektionserkrankung sowie die ebenfalls heterogenen Zeiträume bis zur Symptomausbildung bei Strahlenkrankheiten oder nach chemischen Noxen halten wir eine Regelung zur Ermittlung von Kontaktpersonen auch in diesem Bereich für notwendig.

l) § 19: Insbesondere mit Blick auf die Binnenschifffahrt wird die in Absatz (3) verankerte Möglichkeit für die obersten Landesgesundheitsbehörden, bestimmte Typen von Schiffen von der Bescheinigungpflicht auszunehmen bzw. hinzuzufügen, kritisch gesehen. Die explizite Eingrenzung auf „bestimmte Typen“ erfährt weder im Gesetzestext noch in der Begründung eine Konkretisierung. Ein unklare Begrifflichkeit eröffnet jedoch die Möglichkeit für unterschiedliche Auslegungen in den einzelnen Bundesländern. Eine realistische Folge wäre, dass ein Binnenschiff, das beispielsweise auf dem Rhein unterwegs ist und in kurzer Zeit Bundeslandgrenzen überschreitet, somit mit unterschiedlichen Vorgaben konfrontiert sein kann. Im Umkehrschluss wäre damit auch für Schiffsführer und Schiffseigner ggf. die Option geschaffen, „lästigen Regelungen“ auszuweichen. Sofern an der bisherigen Formulierung festgehalten wird, regt der BVÖGD an, eine diesbezügliche Liste von Schiffstypen von Gesundheitsämtern, zuständigen Landesbehörden und RKI unter Einbeziehung des „Arbeitskreises der Küstenländer“ zu erarbeiten und bundesweit geltend zu machen.

m) § 21: da mit diesem Paragraphen von dem vorgesehenen Regelungen abweichendes Landesrecht ausgeschlossen wird, ist eine Aufnahme der unter den Aufzählungszeichen b) – d) und i) angeregten Änderungen aus Sicht des BVÖGD für eine funktionierende Umsetzung des IGV-DG unersetzlich.

Artikel 3 – Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Die ergänzende Verpflichtung für das Gesundheitsamt, der örtlich zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde Informationen zur Verfügung zu stellen, lehnen wir ab. Sie ist weder im Zusammenhang mit den Durchführungsbestimmungen zu den IGV als notwendige Zusatzregelung einzustufen, noch ist damit ein Vorteil erkennbar, der über die gegenwärtige Praxis der Amtsunterstützung vor Ort hinaus reicht.
Im Jahr 2008 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung in Abstimmung mit dem RKI auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Erfassung, Auswertung und Veröffentlichung von Daten über das Auftreten von Zoonosen und Zoonoseerregern entlang der Lebensmittelkette (AVV Zoonosen Lebensmittelkette) ein Erfassungssystem für lebensmittelbedingte Ausbrüche in Deutschland (BELA) etabliert. In der Folge wurde dieses System in den einzelnen Bundesländern und Kommunen umgesetzt. Nach einer im Frühjahr 2010 durchgeführten Evaluation ist dieses System prinzipiell geeignet, die

Anforderungen gemäß AVV Zoonosen Lebensmittelkette zu erfüllen. Es besteht jedoch noch Optimierungspotential insbesondere in Bundesländern, in denen eine landeseigene Regelung über Zuständigkeiten und Aufgaben bislang fehlt.
Dieses Ziel wird durch die hier geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes jedoch nicht verfolgt. Statt dessen ist eine prinzipielle Beteiligung der Lebensübermittelüberwachung nicht nur bei offensichtlich lebensmittelassoziierten Krankheitshäufungen, sondern auch bei potentiell mit Lebensmitteln in Verbindung stehenden Ausbrüchen bis hin zu Einzelfallgeschehen geplant. Aus diesem Anspruch ergibt sich angesichts von 34 bestätigt auf Lebensmittel kausal zurückführbare
Ausbrüchen bei insgesamt 78 Ausbruchsmeldungen in 15 Bundesländern1 denen mind.
9.233 potentiell lebensmittelassoziierte Ausbrüche mit insgesamt 102.486 betroffenen Personen2 ohne Berücksichtigung von Einzelfällen gegenüberstehen, eine erhebliche Zusatzbelastung für die Gesundheitsämter. Aus Sicht des BVÖGD ist diese Zusatzbelastung weder verhältnismäßig noch zielführend und wird daher abgelehnt.

Artikel 4 – Änderung des Arzneimittelgesetzes

Die vorgesehene Neufassung des § 79 Absatz 5 im Arzneimittelgesetz wird vom BVÖGD begrüßt und uneingeschränkt befürwortet.

Zusammenfassung

Insgesamt ist der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften und zur Änderung weiterer Gesetze“ im Stand von 11.07.2011 eine gute Grundlage, die nach entsprechender Überarbeitung und unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Personalsituation im Öffentlichen Gesundheitsdienst ein effektives Verwaltungshandeln bei der Durchführung der internationalen Gesundheitsvorschriften ermöglichen kann.

1 vgl. „An Krankheitsausbrüchen beteiligte Lebensmittel in Deutschland im Jahr 2009, BfR, www.bfr.bund.de
2 vgl. „Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten 2009“, RKI, www.rki.de

(26.07.2011)

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Stellungnahme

Die European Union for School and University Health and Medicine – EUSUHM – wurde von einigen europäischen Gesellschaften für Schul- und Universitätsgesundheitspflege im Jahr 1981 in Utrecht, Niederlande, gegründet. Aktuell sind dort 16 Gesellschaften aus 14 europäischen Staaten zusammengeschlossen: Norwegen, Finnland (2), Estland, Großbritannien (2), Belgien, Niederlande, Deutschland, Schweiz, Russland, Spanien, Kroatien, Slowenien, Ungarn und Mazedonien.

Die jüngsten Mitglieder sind die russische Gesellschaft für Schul- und Universitätsgesundheitspflege RSSUHM (Beitritt im Jahr 2009) und die spanische Gesellschaft für Schulgesundheit, Salud Escolar (Beitritt im Jahr 2011). Der Beitritt der schwedischen Schulärzte-Vereinigung ist in Vorbereitung.

Seit 2009 ist Dr. Marina Kuzman, MD, PhD, Präsidentin der Croatian Society for School and University Medicine, Präsidentin der Vereinigung. Der Vizepräsident ist Ilpo Lahti (Chief psychiatrist of the Finnish Student Health Service). Der deutsche Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD; www.aerzte-oegd.de) wird repräsentiert durch Dr. Bettina Langenbruch (Schatzmeister in der EUSUHM).

Das erklärte Ziel der EUSUHM ist die Förderung der Zielgruppen- und Lebensraumbezogenen Gesundheitspflege für Kinder und Jugendliche im jeweiligen altersspezifischen Setting in allen europäischen Ländern -„to foster and encourage population-based health care for children and young people in all European countries with the emphasis on the relevant settings related to their stage of life (e.g. daycare centres, kindergartens, schools, universities)”. Die EUSUHM soll den Austausch zwischen den Mitgliedsorganisationen fördern, dazu beitragen, Standards in den öffentlichen Kinder-Gesundheitssystemen zu sichern und zu verbessern und gemeinsame internationale Programme initiieren und unterstützen. Für die WHO (Europa) Ist die EUSUHM in vielen Fragen ein Ansprechpartner geworden.

Hinzuweisen ist auf die gemeinsamen Erklärungen von 2005 (Dubrovnik-Declaration on School Health Care in Europe) und von 2007 (Tampere-Declaration on Student Health Care in Europe).

Dem fachlich inhaltlichen Austausch dienen neben Treffen im kleineren Rahmen und der Kommunikation über den Newsletter und Foren der Homepage (www.eusuhm.org) auch die in zweijährigen Abständen abgehaltenen internationalen Kongresse. 2007 fand dieser Kongress in Tampere in Finnland und 2009 in Leiden in den Niederlanden statt. In diesem Jahr wurde der Kongress von der russischen Gesellschaft für Schul- und Universitätsgesundheitspflege RSSHM (Prof. Kuchma) in Kooperation mit der russischen Kinderärzte-Gesellschaft (UPR, Prof. Baranov) ausgerichtet und fand vom 9.-11. Juni 2011 in Moskau statt.

Das immense Interesse der russischen Kolleginnen und Kollegen an einem internationalen Austausch zeigte sich auch an der großen Teilnehmerzahl: Knapp 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Teilen der Russischen Föderation besuchten den Kongress. Erfreulicherweise fanden auch etwa 250 Kolleginnen und Kollegen aus vielen anderen europäischen Ländern trotz mancher organisatorischer Hemmnisse den Weg nach Moskau. Relativ große Delegationen kamen aus Kroatien, Italien, Finnland, den Niederlanden, Belgien und zum ersten Mal seit Jahren auch aus Deutschland (dreizehn TeilnehmerInnen).  […]

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Plenarsaal Bundestag - Foto: A. Kaunzner

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH),  der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) und des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Krankenhaushygiene und zur Änderung weiterer Gesetze

1. Grundsätzliche Anmerkung

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) befasst sich seit ihrer Gründung im Jahre 1990 mit der Verhütung und Kontrolle im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung erworbener Infektionen mit den Schwerpunkten Infektionsprophylaxe, Gesundheitsförderung und Umweltschutz. Sie ist die Fachgesellschaft für Krankenhaushygiene in Deutschland. Sie ist assoziiert mit nahezu allen europäischen Fachgesellschaften für Krankenhaushygiene und berät u. a. durch Mitglieder der Gesellschaft das Robert Koch-Institut in der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention sowie die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften (AWMF). Sie ist Mitglied im Verbund Angewandter Hygiene (VAH) mit den weiteren Hygienefachgesellschaften wie der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP), der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) sowie dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD).
Die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) fördert die Hygiene, Umweltmedizin, Präventivmedizin, Environmental und Public Health Sciences sowie angrenzende Fachgebiete in Forschung, Lehre, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Entwicklung sowie Anwendung und nimmt auch Aufgaben im Bereich der mittelbaren Krankenversorgung (insbesondere Krankenhaushygiene) und Prophylaxe wahr. Dabei entwickelt und prüft sie Konzepte, verbreitet deren Kenntnisse und Anwendung und wirkt bei der wissenschaftlichen Interpretation der Ergebnisse mit.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) ist bundesweit die fachliche und tarifpolitische Vertretung der in den Gesundheitsämtern tätigen Ärztinnen und Ärzte und kooperiert mit zahlreichen wissenschaftlichen und ärztlichen Verbänden, Organisationen und Institutionen. Der Bundesverband ist Mitglied des Dachverbandes „Deutsche Gesellschaft für Public Health e.V. (DGPH)“, auf europäischer Ebene in der „European Union for School and University Health and Medicine (EUSUHM)“ und in der „World Federation of Public Health Associations (WFPHA)“.

Die infektionshygienische Überwachung von Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber, Obdachlose und ähnliche Einrichtungen wie

Justizvollzugsanstalten sowie Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen liegt nach den jetzigen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes bei den Gesundheitsämtern. Schon durch die Vielzahl der zu überwachenden Einrichtungen unterschiedlichster Art verfügt der öffentliche Gesundheitsdienst über ein breites Erfahrungswissen auf dem Gebiet der Hygiene. Dabei ist zu betonen, dass die gesetzlich vorgegebene infektionshygienische Überwachung sich nicht nur auf die Prüfung der gesetzlichen Vorgaben und schriftlichen Dokumentationen, wie z. B. der nosokomialen Infektionsstatistik nach § 23 IfSG beschränkt, sondern im Regelfall auch mit einer Begehung und Beratung vor Ort in den genannten Einrichtungen verbunden ist. Eine solch umfassende Überprüfung der Hygiene wird im Krankenhausbereich von keiner anderen externen Organisation durchgeführt. Der BVÖGD bringt daher seine umfassende fachliche Expertise bei der Durchführung der Hygieneüberwachung in diese Stellungnahme mit ein.

DGKH, GHUP und BVÖGD begrüßen ausdrücklich, dass mit dem vorgelegten Entwurf des Krankenhaushygienegesetzes der hohe gesundheitspolitische Stellenwert von Medizin assoziierten Infektionen sowohl im Krankenhaus als auch in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung eine weitere bedeutsame gesundheitspolitische Anerkennung und gesetzliche Mandatierung erfährt. Wir halten eine derartige weitere Verbesserung der Risikoregulierung auf diesem Gebiet für dringend erforderlich. Insofern erfahren die Anstrengungen des Bundesgesundheitsministeriums unsere nachdrückliche Unterstützung.

Nachfolgend werden die einzelnen Punkte des Entwurfs, die aus Sicht der DGKH, der GHUP und des BVÖGD zu kommentieren sind, kritisch konstruktiv behandelt.

2. Detailkommentierung

2.1 Zu Punkt A. Problem und Ziel

In diesem Kapitel wird auf die epidemiologische Bedeutung eingegangen. Es wird ausgeführt, dass jährlich ca. 400.000 – 600.000 Patientinnen und Patienten an Krankenhausinfektionen erkranken und schätzungsweise zwischen 7.500 – 15.000 hieran versterben. Diese Zahlen beruhen auf der in den 90er Jahren durchgeführten NIDEP-Studie.
Die damals durchgeführte Prävalenzstudie ergab eine Rate von 3,5 % nosokomialen Infektionen bei 15 Millionen im Krankenhaus behandelter Personen. Da im Jahre 2009 17,8 Millionen Menschen im Krankenhaus behandelt wurden, korrelieren die angegebenen 400.000 – 600.000 nosokomiale Infektionen mit einem prozentualen Anteil von 2,24 – 3,37 % der 17,8 Millionen im Krankenhaus behandelten Patienten. Diese Zahlen sind auch im internationalen Vergleich als extrem niedrig einzustufen und entsprechen vor dem Hintergrund einer erwarteten Zunahme auf 19 Millionen stationäre Fälle bis zum Jahr 2030 bei sinkender Gesamtbevölkerung sicherlich nicht der tatsächlichen Prävalenz nosokomialer Infektionen. Dabei muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass es sich bei den abgeleiteten NIDEP Daten primär nur um die Erfassung sog. Device-assoziierter Infektionen handelt und weitere Infektionen, wie insbesondere Gastrointestinalinfektionen unzureichend berücksichtigt sind. Da aber gerade Clostridium difficile und Norovirus-Infektionen zu einem erheblichen Teil und mit zunehmender Tendenz nosokomiale Infektionen bedingen, muss aus unserer Sicht die Größenordnung der nosokomialen Infektionen sicher nach oben korrigiert werden. Darüber hinaus bezieht sich diese Aussage lediglich auf krankenhauserworbene Infektionen. Infektionen, die in Rehabilitationskliniken auftreten, oder die in Praxen für ambulante Operationen erworben werden bzw. bei der Versorgung von Patienten im häuslichen Umfeld erworben werden, müssen zusätzlich berücksichtigt werden, weswegen mit einer höheren Zahl nosokomialer Infektionen gerechnet werden muss. Wir gehen daher in Deutschland von einer Mindestzahl von 700.000 nosokomial erworbenen Infektionen pro Jahr aus.

Auch die Zahl nosokomial assoziierter Todesfälle muss dementsprechend nach oben korrigiert werden, wobei wahrscheinlich mit bis zu 30.000 Todesfällen pro Jahr zu rechnen ist, die direkt und indirekt mit nosokomialen Infektionen assoziiert sind.

Die Korrektur der genannten Zahlen erscheint dringlich, da u. a. damit auch deutlich wird, dass in Übereinstimmung mit der Einschätzung des European Centers for Disease Prevention and Control nosokomiale Infektionen die größte infektiologische Herausforderung unter allen Infektionskrankheiten mit großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit sind. Verbunden damit sind auch erhebliche finanzielle Aufwendungen zur Abwendung dieser die öffentliche Gesundheit bedrohenden Gefahren.

Wir halten es für notwendig, nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in weiteren medizinischen Einrichtungen die Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen zu unterstützen, zu fördern und zu regulieren. Aufgrund der mittlerweile vorliegenden Untersuchungen in Pflegeheimen kann davon

ausgegangen werden, dass in Pflegeheimen ähnlich hohe nosokomiale Infektionsraten zu erwarten sind wie auch in Krankenhäusern.

Die verstärkte Versorgung von Patienten im häuslichen Umfeld durch ambulante Pflegedienste – allein Im Dezember 2005 waren 2,1 Millionen Menschen in Deutschland im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) pflegebedürftig; mehr als zwei Drittel (68 % oder 1,45 Millionen) der Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt, 32 % (677.000) in Pflegeheimen- sowie zunehmende operative Eingriffe im ambulanten Bereich machen es notwendig, auch in der Benennung des Gesetzes diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen. Wir schlagen daher eine Namensänderung des Gesetzes vor, in „Gesetz zur Verbesserung der Hygiene und Infektionsprävention in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen – Krankenhaushygienegesetz “ vor.

2.2 Zu Punkt B. Lösung

Wir begrüßen nachdrücklich die Forderung nach Erlass von Krankenhaushygiene-Verordnungen, um die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern zu schaffen. Wir hatten bereits seit Jahren kritisiert, dass nur wenige Bundesländer, Krankenhaushygiene- Verordnungen erlassen haben.

DGKH, GHUP und BVÖGD halten jedoch nicht nur eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für notwendig. Vielmehr sind in den einzelnen medizinischen Versorgungsbereichen die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Hygieneprobleme aufgrund entsprechend qualifizierter Aus- und Weiterbildung eigenständig erkannt, verhindert und gelöst werden können. Eine Bewältigung der Herausforderungen durch nosokomiale Infektionen nur über gesetzliche Regelungen und Kontrollen ist aus unserer Sicht nicht ausreichend.

Die Einrichtung einer Kommission „Antiinfektive Resistenzlage und Therapie (ART)“ am Robert- Koch-Institut (RKI) halten wir für sinnvoll, da durch falsche Antibiotika-Behandlung eine gefährliche Selektion nosokomialer Infektionserreger mit hoher Antibiotika-Resistenz eingeleitet wird, die die Wirksamkeit krankenhaushygienischer Maßnahmen einschränkt. Bislang ist die Kenntnis über die Zusammenhänge zwischen falscher Antibiotikagabe und der Selektion Antibiotika-resistenter nosokomialer Infektionserreger in der ärztlichen Praxis nur unzureichend bekannt und implementiert. Unter Bezug auf die ärztliche Therapiefreiheit werden Antibiotika nicht nur falsch verordnet, sondern häufig auch über einen zu langen Zeitraum angewandt. Neben der Einrichtung einer entsprechenden Kommission wird es für notwendig gehalten, dass an jeder Klinik eine stringente Regelung ggf. unter Einbeziehung restriktiver Vorgaben für die Antibiotika-Gabe eingehalten wird. Dies gilt in gleicher Weise auch für den ambulanten Bereich. Auch hier sind Fortbildungsveranstaltungen dringend notwendig.

Aus unserer Sicht sollte sowohl die neu einzurichtende ART-Kommission ebenso wie die KRINKO auch mit Vertretern der die Überwachung durchführenden Gesundheitsämter besetzt werden. Wir regen daher an, bei der Neubesetzung der Kommissionen den BVÖGD zu beteiligen.

Wir unterstützen die für den ambulanten vertragsärztlichen Bereich vorgesehene Vergütungsregelung (Sanierung von MRSA-besiedelten und MRSA-infizierten Patientinnen und Patienten). Das Fehlen einer solchen Vergütung ist derzeit immer noch ein wichtiges Hemmnis für die breite Anwendung von Screening-Untersuchungen. Zudem müssen die Kosten für Sanierungssets übernommen werden, die im Schnitt bis zu 70 Euro betragen, bislang von den Patienten selber getragen werden. Dies ist insbesondere für sozial Benachteiligte unserer Bevölkerung eine unzumutbare Belastung. Aus diesem Grunde wird diese Regelung nachdrücklich begrüßt.

2.3 Zu Punkt D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Bund
Zur Arbeit der Kommissionen ART und KRINKO werden Forderungen erhoben, neue Empfehlungen zeitgerecht zu erarbeiten und existierende Empfehlungen regelmäßig anzupassen. Zur Förderung werden Personalmittel für das Robert Koch-Institut für Epidemiologen, Wissenschaftler und Statistiker im Wert von insgesamt 980.000 Euro eingefordert.

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene unterstützt – wie bereits erwähnt – die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention durch ihre Mitglieder, die langjährig in der Kommission tätig sind und maßgeblich u. a. in den Funktionen als Vorsitzende der Kommission deren Arbeit gefördert haben. So begründet die Forderungen nach Einstellung von Wissenschaftlern und Statistikern wie auch Epidemiologen beim Robert Koch-Institut sind, wird hierdurch aus unserer Sicht die Arbeit der Kommission bei der zeitgerechten Erarbeitung neuer Empfehlungen und Anpassung existierender Empfehlungen nur bedingt verbessert.

Die Erstellung evidenzbasierter Empfehlungen ist und bleibt zeitaufwändig. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder finden bislang in keiner Weise – mit Ausnahme der Ehre einer derartigen Kommission anzugehören – Anerkennung in ihren Fakultäten in Form der Würdigung z. B. als Impact-Faktoren oder geldwerte Gegenleistungen für die jeweiligen Universitäten, – nicht für die ehrenamtlich Tätigen Mitglieder dieser Kommissionen. Hierdurch könnte die Arbeit eine erhebliche Attraktivität erfahren, weswegen nicht primär nur Mittel für die Unterstützung der Arbeit des RKI notwendig ist, sondern ebenfalls eine Aufwertung und Anerkennung der Arbeit der ehrenamtlich tätigen Mitglieder. Die kreative Arbeit bei der Umsetzung der krankenhaushygienischen Empfehlung erfordert fundierte Erkenntnisse in der angewandten Krankenhaushygiene und in dessen Management und kann weder durch Epidemiologen noch durch Statistiker ersetzt werden.

Länder
Die Länder haben die Verantwortung für die Umsetzung der hygienischen Forderungen in der medizinischen Versorgung. Zum Teil sind die strukturellen Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern katastrophal schlecht. In den letzten Jahren ist es zu einem dramatischen Abbau sowohl von Hygienelehrstühlen als auch von krankenhaushygienisch notwendiger Infrastruktur, auf die Länder bzw. der öffentliche Gesundheitsdienst zurückgreifen können, gekommen. Auch in den Gesundheitsämtern sind die personellen Ressourcen durch Personalabbau und Nachwuchsmangel in den letzten Jahren erheblich reduziert worden.

Ein systematisches Ausbruchmanagement, welches neben epidemiologischen Kapazitäten insbesondere krankenhaus-hygienische Expertise, ortshygienischen Spürsinn und hygienisch- mikrobiologische Laborexpertise voraussetzt, existiert nur noch marginal und ist in zahlreichen Bundesländern nicht mehr abrufbar. Deutschland fällt mittlerweile im internationalen Bereich diesbezüglich dramatisch zurück.

Sowohl in den Niederlanden, in England als auch in Frankreich existieren hierzu wesentlich bessere Kapazitäten.

Frankreich hat durch Einrichtung regional verteilter Referenzzentren an den Universitäten eine vorbildliche Infrastruktur geschaffen, die regional sehr effizient tätig ist. Hierdurch ist es gelungen, die Zahl nosokomialer Infektionen, auch von MRSA, nachdrücklich zu reduzieren. In Deutschland dagegen stagniert seit dem dramatischen Anstieg von MRSA-Infektionen bis zum Jahr 2001 um 11 Prozentpunkte von weniger als 10 % auf 20% in kurzer Zeit die Zahl von MRSA-Infektionen auf hohem Niveau.

Die Einrichtung von Netzwerken, z. B. für die Kontrolle von MRSA und anderen multiresistenten Erregern ist in Deutschland weitgehend der Eigeninitiative von Gesundheitsämtern und Hygiene- Instituten überlassen und erfährt keine nachhaltige finanzielle Unterstützung. Die Kontrolle nosokomialer Infektionen kann nicht alleine im Verantwortungsbereich einer Klinik oder eines Gesundheitsamtes umgesetzt werden, sondern bedarf regionaler koordinierender infrastruktureller Anstrengungen. Hierfür sind seitens der Länder finanzielle Mittel vorzusehen, um eine verbesserte Koordination sicherzustellen.

Die Länder sind auch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung mit zuständig. Insbesondere auf dem Gebiet der Ausbildung gibt es geradezu dramatische Defizite, besonders im Medizinstudium im Fach Hygiene. Zum Teil werden an deutschen Universitäten Medizinstudenten nur mit ca. 2 Stunden im Fach Hygiene unterrichtet. Hierdurch kann eine entsprechende Grundkenntnis und eine Motivation zur Umsetzung und Durchsetzung krankenhaushygienischer Forderungen gar nicht erreicht werden. Insofern muss sowohl durch den Bund (Änderung der Approbationsordnung) als auch durch die Länder (Forderung nach Sicherstellung einer ausreichenden Zahl von eigenständigen Hygienelehrstühlen an den Universitäten durch die Wissenschaftsministerien) gewährleistet werden,

dass die entsprechenden Voraussetzungen für die Ausbildung verbessert werden. Die Konsequenzen für die Verbesserung der Hygienesituation durch Veränderung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten bereits im Medizinstudium dürften enorm sein. Hierzu wird auf die gemeinsame Stellungnahme des BVÖGD, der GHUP und der DGKH im Deutschen Ärzteblatt im Dezember 2010 verwiesen, in der eine Änderung der Approbationsordnung und die Einrichtung von Hygienelehrstühlen gefordert wird.

Ein weiterer wesentlicher Punkt zur Verbesserung der Krankenhaushygiene ist aus unserer Sicht eine ausreichende Personalausstattung. Es sollte in allen Bereichen, die mit Krankenhaushygiene zu tun haben, genügend Personal mit entsprechender Qualifikation eingestellt werden. Das betrifft insbesondere Hygienefachkräfte, Krankenhaushygieniker und hygienebeauftragte Ärzte. Als Grundlage für die Berechnung der Personalquote sollten die von der Kommission für Krankenhaushygiene (KRINKO) gegebenen Empfehlungen für personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen herangezogen werden. In der Praxis ist zu beobachten, dass diese Hygieneempfehlungen nicht immer eingehalten werden. Daher begrüßen wir die nun im Gesetzentwurf vorgesehene neue Verankerung der Empfehlung der KRINKO in § 23, Absatz 3 IfSG und schlagen vor, die Kontrolle der Personalquoten in den Krankenhäusern grundsätzlich in die infektionshygienische Überwachung der Gesundheitsämter einzubeziehen.

Aber nicht nur das Personal im Krankenhausbereich muss ausreichend vorhanden sein, auch in den Gesundheitsämtern, die die Hygieneüberwachung aller Einrichtungen nach gesetzlichem Auftrag durchführen, muss eine entsprechende Personalausstattung vorgehalten werden. Schon jetzt beobachten wir im Bereich der Hygieneüberwachung ein erhebliches Vollzugsdefizit, was durch die unterschiedliche personelle Ausstattung aufgrund der Kommunalisierung der Gesundheitsämter bedingt ist. Wir halten es deshalb für erforderlich, dass die KRINKO auch Empfehlungen zur Personalausstattung der die Hygieneüberwachung durchführenden Behörden ausspricht.

Gesetzliche Krankenversicherung
Es gibt derzeit keine Möglichkeit zur Kostenübernahme notwendiger Hygienemaßnahmen im häuslichen Umfeld. Müssen immunsupprimierte oder MRSA-kolonisierte Patientinnen und Patienten entsprechend den Empfehlungen der KRINKO Hygienemaßnahmen wie z. B. Einsatz von Handschuhen, Mundschutz und Desinfektionsmittel durchführen, so gibt es hierzu keine Kostenerstattungsregelung. Auch der Einsatz endständiger Filtersysteme an Wasserhähnen und Duschen zur Verhütung gefährlicher Infektionen durch wasserassoziierte Mikroorganismen wie Pseudomonas aeruginosa oder andere nicht fermentierende Mikroorganismen und Enterobacteriaceae sind bislang nicht erstattungsfähig. Die Filtersysteme werden zur Prävention wasserassoziierter Infektionen eingesetzt und sparen dadurch erhebliche Folgekosten durch vermiedenen Krankenhausaufenthalt ein. Krankenhausaufenthalte und Antibiotika-Verordnungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen selbstverständlich getragen, Präventionsmaßnahmen, die diese vermeiden helfen, jedoch nicht.

2.4 Zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung der Krankenhaushygiene und zur Änderung weiterer Gesetze“

Im Folgenden wird vor dem Hintergrund unserer Ausführungen in den Absätzen 1 und 2.1 bis
2.3 auf Einzelaspekte im Detail eingegangen, Änderungsvorschläge zum Gesetzestext vorgetragen und diese ggf. zusätzlich erläutert.

2.4.1 Name des Gesetzes
Es wird vorgeschlagen, den Namen des Gesetzes zu ändern in
„Gesetz zur Verbesserung der Hygiene und Infektionsprävention in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen und zur Änderung weiterer Gesetze ( Kurzform: Krankenhaushygienegesetz)“.

2.4.2 Artikel 1: Änderung des Infektionsschutzgesetzes
§ 9, Absatz 1, Satz 1
Die Ergänzung der namentlichen Meldung mit dem Bezug auf die neuen Absätze 5 und 6 des § 23 IfsG wird begrüßt.

§ 11, Absatz 2
Durch die erweiterten Meldepflichten entsteht eine vermehrte Belastung der Gesundheitsämter. Nach dem Konnexizitätsprinzip ist hier eine Kostenerstattungsregel erforderlich. Der Mehraufwand wird entscheidend von der praktizierten Umsetzung des Gesetzesgedankens abhängen und ist nur mit vielen Ungenauigkeiten abzuschätzen.

§ 23, Absatz 1, Satz 1
Es wird vorgeschlagen, den ersten Satz wie folgt zu ändern:
„Beim Robert Koch-Institut ist eine Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention eingerichtet.“

§ 23, Absatz 1, Satz 6
Es wird vorgeschlagen Satz 6 in der Form zu ergänzen:
„Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der Obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes, des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte und der unteren Gesundheitsbehörden nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil.

§ 23, Absatz 2, Satz 6
Hier sollte es ebenso heißen:
„Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der Obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes, des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte und der unteren Gesundheitsbehörden nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil.

§ 23, Absatz 3
Im Gesetz sollte klargestellt werden, welche Einrichtungen gemeint sind. Wir schlagen daher vor zu formulieren:
(3) „Die Leiter von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen, insbesondere Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialysezentren, medizinische Versorgungszentren, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen sonstiger Heilberufe, (Alten-)Pflegeheime, ambulante Pflegedienste haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solche mit Resistenzen, zu vermeiden.“

Es wird vorgeschlagen, einen Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Nichtbeachten der Empfehlungen der KRINKO und der ART gesetzlich zu verankern, indem dies in § 73 IfsG in den Katalog der Ordnungswidrigkeiten mit aufgenommen wird.

§ 23, Absatz 4, Satz 2
Aus der Erfahrung der Gesundheitsämter sollte diesen nicht nur auf Verlangen Einsicht gewährt werden, sondern eine Umformulierung vorgenommen werden:
„Dem zuständigen Gesundheitsamt sind die Aufzeichnungen vorzulegen.“

§ 23, Absatz 5
Es wird vorgeschlagen, einen Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Nichterstellung von Hygieneplänen gesetzlich zu verankern, indem dieser in § 73 IfsG mit aufgeführt wird.

Außerdem empfehlen wir folgende stringentere Formulierung:
„Die Leiterinnen und Leiter von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen, insbesondere Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialysezentren, medizinische Versorgungszentren, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen sonstiger Heilberufe, (Alten)Pflegeheime, ambulante Pflegedienste, haben sicherzustellen …..

§ 23 Abs. 6
Zur Klarstellung, dass auch Praxen, die endoskopische Eingriffe durchführen, der Überwachung durch das Gesundheitsamt unterliegen, sollten diese explizit aufgeführt werden.
„Arztpraxen sowie Zahnarztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive einschließlich endoskopischer Eingriffe vorgenommen werden, können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden.“

§ 23 Abs. 8
Die Verpflichtung der Landesregierung, Rechtsverordnungen für die genannten medizinischen Einrichtungen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu erlassen, wird begrüßt.

In § 23 Abs. 8 soll nach Punkt 1 ergänzt werden: Verpflichtende Beteiligung der Gesundheitsämter bei geplanten Bau und Umbaumaßnahmen. Nur so kann vermieden werden, dass im Nachhinein teure Umbaumaßnahmen aufgrund hygienischer Mängel erforderlich werden. Die Baubehörden sollen explizit verpflichtet werden, bei der Genehmigung entsprechender Einrichtungen die Gesundheitsämter bei Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen.

Wir empfehlen, dass das Inkrafttreten dieser Rechtsverordnungen zum 31.12.2011 festgeschrieben werden sollte. Zusätzlich sollten Teile der Rechtsverordnungen auch für Arztpraxen gelten und Anwendungen finden.

Zusätzlich sollten die Landesregierungen aufgefordert werden, bei der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten im Medizinstudium die Inhalte der Hygiene in ausreichendem Umfang sicherzustellen. Hierzu wird die Einrichtung von eigenständigen Hygienelehrstühlen in den Ländern für erforderlich angesehen. Eine Verschmelzung mit Instituten für medizinische Mikrobiologie wird dem Ziel einer verbesserten Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Hygiene in der medizinischen Versorgung nicht gerecht.

§ 23, Absatz 8, Satz 1
In Absatz 8, Nr. 1 sollte durch die Einführung des Zusatzes „und sonstige Einrichtungen“ klar gestellt werden, dass auch andere invasive Tätigkeiten, wie z. B. endoskopische Untersuchungen unter diesen Tatbestand fallen. Damit eine mögliche Regelungslücke für solche Einrichtungen ausgeschlossen wird, wäre der Text deshalb wie folgt zu ergänzen:
„Die Landesregierungen haben durch Rechtsverordnungen für Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen und sonstigen Einrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, …

§ 23, Absatz 8, Satz 2
Unserer Auffassung nach müssen nicht nur Krankenhäuser, sondern auch Hygiene überwachende Behörden mit entsprechendem Fachpersonal ausgestattet werden. Wir schlagen daher vor, den Satz 2 Nr. 3 wie folgt zu ergänzen:
„Die erforderliche personelle Ausstattung mit Hygienefachkräften und Krankenhaushygienikern und Bestellung von Hygienebeauftragten sowie Fachpersonal in den zuständigen Gesundheitsbehörden gemäß Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.

§ 29, Absatz 2
Bei den in § 29 Absatz 2 festgelegten Beobachtungs- und Duldungspflichten soll nach Absatz 2 Satz vor und nach Angabe „§ 36, Absatz 1“ die Angabe „oder § 23 Absatz 5“ ergänzt werden um „oder 6“. Hierdurch wird sichergestellt, dass medizinisches Personal in Arzt/Zahnarztpraxen und Heilpraktiker miterfasst werden.

§ 73
Es wird eine Aufnahme der Ordnungswidrigkeitstatbestände bei Zuwiderhandlung gegen die Vorgaben des § 23 IfsG der Absätze 3, 5 und 6 in § 73 Absatz 1 IfsG nach Nr. 10 vorgeschlagen (siehe oben, Kommentar zu § 23 IfsG).

2.4.2 Artikel 3 Änderung des 5. Buches Sozialgesetzbuch

§ 87 Absatz 2 a
Die Ergänzung des § 87, Absatz 2 a um die Regelung zur Finanzierung ärztlicher Leistungen zur Diagnostik und ambulanten Eradikationstherapie von Trägern mit MRSA wird ausdrücklich begrüßt. Wünschenswert wäre, dass auch die Übernahme der Kosten für Sanierungssets für betroffene Versicherte im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V geregelt würde. Es wird darüber hinaus angeregt, eine Öffnungsklausel – je nach epidemiologischer Situation – ggf. für weitere Keime mit Multiresistenzen vorzusehen und Maßnahmen nach fachlicher Beratung und Empfehlung der unter § 23 Absatz 1 + 2 genannten Kommissionen festzulegen.

§ 137 a
Bei der Festlegung von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der Hygiene in der Versorgung und insbesondere der Indikatoren zur Beurteilung der Hygienequalität wird es als erforderlich gesehen, dass unsere fachliche Expertise mit einbezogen wird. Auch in anderen Ländern existieren bereits ähnliche Modelle, die mit berücksichtigt werden sollen. So ist z. B. in Frankreich ein sog. Hundert-Punkte-System eingeführt worden, wozu u.
a. auch die Ausstattung mit Hygienefachpersonal zählt.

3. Zusammenfassende Bewertung

Zusammenfassend möchten wir unsere Anerkennung für diesen Gesetzentwurf aussprechen, der sicher zu einer deutlichen Verbesserung der Hygiene in der medizinischen Versorgung beitragen wird.

Allerdings machen wir darauf aufmerksam, dass alle Regelungen, die im Entwurf eines Krankenhaushygienegesetzes vorgesehen sind, auf einer ausreichenden Zahl an qualifiziertem Hygienefachpersonal basieren. Derzeit existiert weder eine ausreichende Zahl von Fachärzten für Hygiene bzw. von Krankenhaushygienikern mit entsprechender Zusatzausbildung noch genügend Personal in den die Hygieneüberwachung durchführenden Gesundheitsämtern. Ferner betrifft diese personelle Mangelsituation zunehmend auch die weitere, aus krankenhaushygienischer Sicht notwendige Infrastruktur, z.B. in Form von entsprechenden Landeseinrichtungen.

Um in den nächsten Jahren den erheblichen Mangel an qualifiziertem Fachpersonal für Hygiene und Krankenhaushygiene ausgleichen zu können, fordern DGKH, GHUP und BVÖGD gemeinsam die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen auf, auch zur Lösung dieser Probleme die notwendigen finanziellen Mittel bereit zu stellen. Zusätzlich sollten die Landesregierungen aufgefordert werden, bei der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten im Medizinstudium die Inhalte der Hygiene in entsprechendem Umfang sicherzustellen. Hierzu wird die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von eigenständigen Hygienelehrstühlen an den Universitäten in den Ländern für erforderlich angesehen. Außerdem sollte ein neues Fach „Hygiene und Öffentliche Gesundheit“ in der ärztlichen Approbationsordnung eingeführt werden. Eine Verschmelzung mit Instituten für medizinische Mikrobiologie wird dem Ziel einer verbesserten Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Hygiene in der medizinischen Versorgung nicht gerecht.

Die geforderte Überwachungstätigkeit durch den öffentlichen Gesundheitsdienst setzt auch dort ausreichend qualifiziertes und ausgebildetes Personal voraus. Im ÖGD zeichnet sich derzeit ein zunehmender Nachwuchsmangel ab. In diesem Zusammenhang wird auf die nachteiligen Tarifbedingungen im öffentlichen Gesundheitsdienst hingewiesen. DGKH, GHUP und BVÖGD halten es deshalb für dringend erforderlich, dass – auch zur Erfüllung der in § 23 angesprochen Aufgaben – eine Tarifangleichung an die Arzttarife im Krankenhaus für den Öffentlichen Gesundheitsdienst erfolgt. Nur so kann qualifiziertes ärztliches Personal für diese Überwachungsaufgaben gewonnen werden.

Aufgrund der Komplexität der in diesem Gesetzentwurf angesprochenen Fragestellungen und Lösungsansätzen stehen DGKH, GHUP und BVÖGD auch gerne zu einer mündlichen Erörterung zur Verfügung.

Dr. med. Ute Teichert-Barthel, MPH
Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen

Prof. Dr. med. Martin Exner
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene Gesundheitsdienstes

Prof. Dr. med. Thomas Eikmann
Präsident der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin

(22.02.2011)

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